Das Sakrament
gestanden hatten, gab Mattias ihm keine Schuld. Da er keine anderen Verbündeten hatte, fehlte ihm vielleicht auch der Mut dazu. Statt dessen verehrte er den Mann, und in gewisser Weise war der Abschied von ihm, als er ihn der Disziplin des Enderun überließ, für Mattias wesentlich herzzerreißender gewesen als der Abschied von dem Dorf seiner Geburt.
Seither waren sie einander nur einmal wieder begegnet, im Iran, wo die Türken Erewan zerstört und den Palast von Tahmasp Schah dem Erdboden gleichgemacht und in Nachitschewan keinen Stein auf dem anderen gelassen hatten. Seit der Zeit vor Christi Geburt hatten diese Gebäude hier gestanden – bis die Janitscharen gekommen waren. Sie hatten sich damals bei einer Zeremonie getroffen, bei einer Truppenparade und der Ausgabe von Belohnungen am Rande der zerstörten Stadt, ehe man die Schiiten weiter in Richtungdes Oxus verfolgte. Mattias hatte als Anführer seiner Orta das Belohnungsgeld in Empfang genommen, das seinen Männern für ihre Rücksichtslosigkeit und ihren Heldenmut zukam. Abbas hatte ihm zu seiner ehrenvollen Laufbahn gratuliert und ihn zum Tee eingeladen, und sie waren übereingekommen, daß sie irgendwann einmal, wenn die Umstände es erlauben würden, ihre Freundschaft erneuern müßten. Doch die Umstände erlaubten es nie.
Während Tannhäusers Krankheit sprachen sie nur wenig miteinander. Abbas war mit militärischen Angelegenheiten und den Intrigen im Kriegsrat beschäftigt, die wie bei jedem türkischen Feldzug möglicherweise tödlich sein konnten. An diesem Abend aßen sie Pilaf, gebratene Tauben und Zuckermandeln. Sie tranken Kaffee. Abbas hatte sich umgezogen und trug einen Kaftan aus weißer Seide, die mit goldenen und silbernen Fäden durchwirkt war. Am Ohr hing ihm eine vollkommene graue Perle von der Größe einer Haselnuß. Er besaß Ländereien und Anteile an Handelsschiffen am Goldenen Horn. Er war ein außerordentlich feiner und kultivierter Mann, einer jener Krieger, die den Krieg verabscheuten.
Tannhäuser dankte ihm dafür, daß er ihm wieder einmal das Leben gerettet hatte, und Abbas dankte Allah, daß er ihm die Gelegenheit dazu geschenkt hatte, denn die Nächstenliebe war eine heilige Pflicht.
»In einer Zeit großer Bosheit, wenn die Schwingen des Todesengels überall zu spüren und zu hören sind, sind kleine Freundlichkeiten wie Juwelen vom Himmel, und für den Geber noch mehr als für den Empfänger, denn wie der Prophet, gepriesen sei Sein Name, gesagt hat: Den Barmherzigen ist Allah barmherzig, seid dem barmherzig, was auf Erden ist, dann ist euch barmherzig, der im Himmel ist. « Abbas fügte noch hinzu: »Wenn du einem Menschen das Leben gerettet hast, dann bist du sein Hüter für alle Zeit.«
Tannhäuser dachte an Bors, an Sabato Svi und an diesen edlen Gazi , der vor ihm saß, und sagte: »Darin habe ich das größte Glück erfahren, denn mich behüten Löwen.«
Abbas fragte ihn, wie er den Christenhunden in die Hände gefallenwar. Es war Mattias zuwider, diesen Mann mit den leuchtenden braunen Augen anzulügen, der ihm zweimal das Leben gerettet hatte.
»Eine Reiterpatrouille hat mich auf der Straße nach Marsaxlokk überrascht«, sagte Tannhäuser. »Es war kurz nach Sonnenaufgang Anfang Juni. Sie fielen vom Galgenpunkt aus wie Dämonen über mich her. Dort hatte ich eigentlich eine unserer Stellungen vermutet.«
Abbas nickte. »Das war der Morgen, an dem sie Torghouds Batterien zerstört haben. Und was die Dämonen betrifft …« Er schüttelte den Kopf. »Diese Ritter sind Geschöpfe des Satans. Man munkelt, daß La Valette ein Schwarzkünstler sei und man Teufel an seiner Seite gesehen habe.«
»Er ist auch nur ein Mensch«, wandte Tannhäuser ein.
»Du bist ihm begegnet?« wollte Abbas wissen.
Tannhäuser antwortete: »Ich habe ihn gesehen. La Valette ist einer jener alten Männer, deren einzige Liebe dem Krieg gilt. Ohne den Krieg wäre er längst tot, aber der Krieg verjüngt sein Blut, bringt neuen Schwung in seine Schritte, macht sein Auge schärfer. Seine eigenen Leute betrachten ihn als einen Halbgott, aber das ist kein Grund, daß wir es auch tun sollten.«
»Er hat sich als ein sehr starker Gegner erwiesen.«
»Er nutzt seine Stärken und unsere Schwächen gegen uns aus. Er ist ein genialer Meister der Verteidigung. Er kennt das Herz eines jeden Soldaten, denn er hat selbst ein Soldatenherz. Wir kämpfen hier nicht gegen Schiiten oder Österreicher.«
Abbas hob müde eine Augenbraue. »Ich
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