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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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gehörte Ludovico zu ihnen. Am Morgen war der Beschuß außerordentlich intensiv gewesen, was darauf schließen ließ, daß der erste größere Angriff seit Wochen folgen würde.
    »Wir wollen hoffen, daß sie es nur auf St. Michael abgesehen haben«, meinte Bors.
    »Hast wohl auch die Lust am Kampf verloren?« erkundigte sich Tannhäuser.
    »Ich muß zugeben, daß alles seinen Reiz verliert, wenn man nicht geschlafen hat und nichts zu essen bekommt.«
    Als sie die Herberge erreichten, wurde ein Sklave vorbeigeführt, den man gefesselt und geknebelt hatte. Anscheinend hatte man den Weg zum Galgen nie geändert, überlegte Tannhäuser. Plötzlichhatte er das Gefühl, daß auch sonst nichts anders werden würde. Er würde diese Insel niemals verlassen. Keiner von ihnen würde das schaffen.
    »Wußtest du«, fragte Bors, »daß sie jeden Tag denselben Knebel verwenden?«
    »Wie viele Tage geht das nun schon so?«
    Bors rief dem Spanier, der den Gefangenen führte, etwas zu. »He, Guzmán, welche Nummer hat diese Jammergestalt? Achtundachtzig oder neunundachtzig?«
    »Neunundachtzig«, antwortete Guzmán.
    »Danke.« Bors wandte sich wieder zu Tannhäuser um. »Sie kratzen die Zahl in die Wand des Gefängnisses. Seit einiger Zeit gibt es Wetten auf die endgültige Zahl. Sie haben allerdings bei fünfzig die Bücher geschlossen. Ich bin aber immer noch dabei.«
    »Wer hat die Wette über St. Elmo gewonnen?«
    »Der Wettsieger steht vor dir«, erwiderte Bors. »Mit einunddreißig Tagen habt ihr Kerle selbst meine Zahl übertroffen. Ich war aber am nächsten dran.«
    »Neunundachtzig Tage«, sann Tannhäuser. »Manchmal kann ich mich gar nicht mehr daran erinnern, warum wir hergekommen sind.«
    »Wenn ich mich recht besinne, hatte es etwas mit deinen Frauen zu tun.«
    »Ja, die Frauen«, sagte Tannhäuser. »Sie machen mich noch immer wahnsinnig.«
    »Ich bin ganz Ohr.«
    »Ich habe versucht, meiner zukünftigen Braut treu zu bleiben«, begann Tannhäuser.
    Bors wieherte vor Lachen. »Warum das? Hat sich Amparo eine schlimme Krankheit zugezogen?« Er stemmte den Kolben seiner Büchse auf den Boden und lehnte sich auf den Gewehrlauf. »Verzeih«, keuchte er zwischen Lachern, »aber du siehst wirklich zu komisch aus. Bitte, erzähl weiter.«
    »Amparo ist bei bester Gesundheit. Sie wird dich und mich überleben, ganz gleich, was kommt. Mit einigem Bedauern mußich zugeben, daß ich kaum erwarte, jemals in meinem Leben schönere Brüste zu sehen zu bekommen.«
    »Also haben die Reize der Contessa schließlich doch gewonnen?«
    Tannhäuser brachte es nicht über sich, ihm einzugestehen, daß sie ihn wieder damit bezaubert hatte, wie sie ihre Gambe spielte. »Ihre Reize oder meine Narrheit, das ist alles einerlei.«
    »Die Liebe«, meinte Bors. »Ich habe dich ja gewarnt.«
    »Und ich habe mich danach gerichtet. Daher habe ich die feste Absicht, für die Prüfungen, die noch auf uns warten, einen klaren Kopf zu behalten. Das Rammeln verwirrt einem die Gedanken, da wirst du mir beipflichten …«
    »Zweifellos.«
    »Und wenn die Gedanken verwirrt sind, nicht zuletzt von all dem Wahnsinn, der um uns herrscht, dann bekommt man Kopfweh, es steigt einem die Galle hoch, und man zieht sich allerlei andere Dinge zu, die man am besten vermeidet, ehe man wieder auf sicherem Boden ist. Wir werden einige Tage auf See sein. Schon eine Geliebte im Boot ist eine riskante Sache, aber mit einer Geliebten und einer angetrauten Verlobten würde man das Schicksal besonders herausfordern.«
    »Du hast wahrhaftig seit deiner Rückkehr die Finger von diesen wunderbaren Brüsten lassen können?« wunderte sich Bors.
    »Seit die Sonne am folgenden Tag aufging, hat nicht einmal La Valette ein keuscheres Leben geführt.«
    »Gehst du mit mir eine Wette ein?«
    Tannhäuser überhörte diesen unverschämten Vorschlag. Sie betraten die Herberge, die Carla zu einer Nebenstelle des Krankenhauses umgewandelt hatte und die von Verwundeten, denen es ein wenig besser ging, nur so wimmelte. Tannhäuser versetzte einem, der sich offenbar wieder guter Gesundheit erfreute, einen Tritt.
    »Laß diese Nichtsnutze zu den Wällen zurückschicken«, befahl er. »Ich verschwinde jetzt in meiner Wanne.« Er warf Bors das Gewehr zu. »Sag Nicodemus, er soll unsere Ration verdoppeln.«
    »Das wäre leichter getan, wenn du uns nicht zu Gullu Cakie geschleppt hättest.«
    Sie hatten Gullu Cakies Schlupfwinkel am Tag zuvor gefunden, inmitten der eng gedrängten Häuser, die den

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