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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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Kameraden. Schillernde Schwärme von Schmeißfliegen erhoben sich zum Himmel. Als die Kanonen des Ritterordens das Feuer eröffneten, wurden Dutzende dahingerafft, und doch rannten sie weiter gegen die Festung an.
    Tannhäuser stopfte eine neue Kugel in den Lauf seines Gewehrs und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Das Heer, das auf sie zustürmte, war nicht mehr die unerbittliche Streitmacht, die in Marsaxlokk an Land gegangen war. Nun klangen die Schlachtrufe der Moslems dünn, nun rannten sie nicht mehr wegen der Ehre oder um dem Antlitz Gottes näher zu sein, sondern nur noch, weil der Nebenmann auch rannte, mit dem gleichensinnlosen Heldenmut. Tannhäuser drehte den Schlüssel seines Radschlosses und schüttete Pulver auf die Pfanne.
    Als er sich wieder erhob, um zu feuern, fiel sein Blick auf eine Gruppe von vier jungen Soldaten, die auf die Bresche am Posten von Kastilien zuhielten. Sie bewegten sich, als hätten sie einander am liebsten bei der Hand gehalten, wie Kinder, die verloren durch einen Basar irren. Er senkte das Gewehr. Eine Kanonenkugel sprang auf. Mitleid erfaßte sein Herz, als er sah, daß sie den Weg der vier jungen Männer kreuzen würde. Auch die vier hatten die Kugel bemerkt und schrien verzweifelt, und wenn einer nicht die anderen gepackt hätte, hätten sie vielleicht ausweichen können. Doch die Kugel erwischte sie. Fast gleichzeitig sanken die vier in den Staub, sich tatsächlich an den Händen haltend, und starben.
    Tannhäuser wandte sich ab.
    Von einer Böschung in tausend Fuß Entfernung beobachtete er die zweite Angriffswelle der türkischen Infanterie. Er schaute an der Umwallungsmauer entlang. Jenseits der Galeerenbucht markierten Flammen und Rauch die umkämpfte Festung St. Michael. Vor der Bresche in den Ruinen der kastilischen Bastion war die erste türkische Angriffswelle ins Stocken geraten, als das griechische Feuer aufloderte. Die Hakenbüchsenschützen auf den Wällen luden ihre Gewehre und schickten eine Salve in den neuen Angriff. Auf der linken Flanke des Angriffs positionierte sich eine Orta von Tüfekchis in Schußweite der Hakenbüchsen und feuerte aus neun Spannen langen Musketen. Ein schrilles Hornsignal löste kurz nach der zweiten auch die dritte Sturmwelle aus. Nun wimmelte die große Hochebene nur so vor kriegerischen Gewändern und flatternden Fahnen in Rot, Gelb und Grün. Iayalaren , Derwische, Mamelucken, Azebs . Sie waren so zahlreich und schlossen ihre Reihen so schnell, daß die Kanonenkugeln, die auf sie niederpeitschten, kaum eine Spur hinterließen.
    Oliver Starkey gesellte sich an der Bastion von Deutschland zu Tannhäuser und brachte die gesamte englische Zunge mit, die nur aus zwei katholischen Abenteurern bestand, John Smith und Edward Stanley. Sie feuerten ihre Musketen auf die anrückendentürkischen Truppen. Dann lehnte Starkey sein Gewehr an einen Mauervorsprung und zückte das Schwert. Er bewies eine eiserne Härte, die um so erschreckender wirkte, weil er eigentlich wie ein Gelehrter aussah. Tannhäuser bemerkte zu seinem großen Kummer, daß die Deutschen, Schweden und Polen nun gleichfalls ihre Streitäxte und Schwerter bereitmachten.
    »Mit mir«, rief Starkey den Ordensbrüdern zu, »zum Posten von Kastilien.«
    Starkey schaute Tannhäuser an, als wartete er auf eine Bemerkung, doch Tannhäuser deutete lediglich auf die Schutthalde, die einmal der Posten von Kastilien gewesen war. Aus der zweiten Angriffswelle wagte sich eine Truppe von Janitscharen in Kettenpanzern in das griechische Feuer und kam bis knapp unterhalb der brüchigen Verteidigungslinie aus christlichen Rittern. Ein weiterer Kampf tobte am Fuß des eroberten Belagerungsturms, von dessen oberster Plattform eine Mannschaft aus Maltesern und Tercios feuerte und Brandsätze auf die anrückende türkische Menge schleuderte.
    »Wenn Mustafa die Zirhli Nefer schon jetzt in die Schlacht schickt«, sagte Tannhäuser, »dann setzt er auf einen raschen Sieg.«
    »Den werden wir ihm verwehren«, meinte Starkey. »Jetzt geht es zum Nahkampf.« Er wandte sich an die zwei Dutzend Ritter der deutschen Zunge. »Ohne uns können die Ordensbrüder die Verteidigungslinie nicht halten. Bildet hinter ihnen einen Keil, und bleibt in dieser Aufstellung. Auf mein Wort hin greift an. Und vergeßt nicht, wenn die Türken zurückweichen, dürfen wir sie auf keinen Fall verfolgen.«
    Tannhäuser nahm sein Gewehr auf. Mit seinen Kugeln konnte er verläßlich alle fünf oder sechs Minuten einen

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