Das Sakrament
gestanden. Italien wäre mit katastrophalen Gewalttaten überzogen worden, und Spanien, das den Süden des Landes beherrschte, wäre in dieses Chaos mit hineingezogen worden. Die gesamte Christenheit hätte sich zerfleischt. Diese Gefahr war immer noch nicht abgewendet. Ludovico zweifelte keinen Augenblick daran, daß die Inquisition eine sehr große Kraft zum Guten darstellte. Sie schützte die Heilige Mutter Kirche. Sie verhinderte Kriege. Sie war ein Segen für die lasterhafte und in Sünde gefallene Menschheit. Wer sich gegen die Inquisition stellte, entehrte Gott.
Ludovico spülte das Sackleinen und wrang es aus. Er wandte den Kopf ab, um seine Genitalien nicht sehen zu müssen. Die Eitelkeit des Intellektes und der Macht hatte er zu kontrollieren vermocht. Von Tomás de Torquemada inspiriert, hatte er alle Beförderungen in hohe Ämter ausgeschlagen, sogar einen Kardinalshut, den ihm zwei Päpste nacheinander angetragen hatten. Er war ein schlichter Mönch geblieben. Ein sehr viel größeres Opfer war es gewesen, die Lehrstühle für Theologie und Kirchenrecht an einem guten Dutzend hervorragender Universitäten abzulehnen. Da er in üppigem Luxus aufgewachsen war und gelernt hatte, daß er einen nur leer ließ und verweichlichte, besaßen weltliche Reichtümer für Ludovico keinen Reiz. Er war ständig unterwegs, hatte sich gegen alle Bedürfnisse verhärtet, war durch keinerlei menschliche Gemeinschaft gefesselt, nur Christus und seinem Gelübde verpflichtet, ein Botschafter des kirchlichen Schreckens, das wandernde Schwert der Heiligen Kongregation. Hierin warsein Gewissen rein, und doch hatte ihn einmal die Begierde verzehrt. Einmal hatte er sich einer Gewalt unterworfen, die weitaus mächtiger war als sein Glaube. Die Liebe hatte ihn bis an den Abgrund des Glaubensverlustes gezerrt.
Wieder spülte Ludovico das Sackleinen aus, um sich das andere Bein zu säubern. Die Wollust war einer seiner ältesten Widersacher. Zwar plagte sie ihn nicht mehr mit der gleichen Hartnäckigkeit wie in der Jugend, aber noch immer war sie nicht bezwungen. Die Wollust gehörte zum Fleisch, ihre Masken waren leicht zu durchschauen, und alles ließ sich zu einem Opfer des Schmerzes umwandeln. Die Liebe hatte sich in das Mäntelchen der spirituellen Ekstase gehüllt und hatte mit Gottes Stimme zu ihm gesprochen. Nichts war ihm je zuvor heiliger erschienen, und er fragte sich auch heute noch manchmal, ob nicht alles, was er gelernt hatte, falsch war, ob die angehäuften Weisheiten von Jahrhunderten nicht irrten, ob diese Stimme nicht vielleicht wirklich die beste Weisung des Allmächtigen gesprochen hatte. Darin lag – schon wieder – die Gefahr. Das vergrabene Saatkorn wartete nur auf den geeigneten Augenblick, um voll aufzublühen. Der Geist der Frau, die er geliebt hatte und – wie diese Gedanken ihm nur zu deutlich zeigten – noch immer liebte, war aus den Nebeln der Vergangenheit wieder aufgetaucht und forderte erneut seine Glaubenstreue heraus. Und nicht nur ihr Geist, sondern die Frau selbst. In lebendigem Fleisch und Blut. Sie war hier, keine Stunde von diesem Ort entfernt, wo er nun erregt und nackt stand.
Zwischen seinen Beinen pochte sein Glied gewaltig. Wieder spülte Ludovico das Sackleinen aus und wischte sich Schweiß und Fett aus der Leistenbeuge und der Scham. Er wischte sein Glied ab und hielt es umfaßt, während eine Welle der Fleischeslust ihn überwältigte.
Vor seinem geistigen Auge sah er die Frau in leuchtender Klarheit, wie sie auf dem Rücken auf der Grasböschung lag, ausgestreckt inmitten der Blüten, deren Duft sie beide betört hatte. Schlank und nackt und milchweiß hatte sie dagelegen, den Kopf zurückgeworfen, die Lippen wollüstig geöffnet, die Brustwarzendunkel und erregt, die Schenkel weit geöffnet, lüstern bereit, ihn zu empfangen. Sie wollte ihn. Sie bebte und schrie auf, und ihre grünen Augen flackerten und blitzten vor Begehren. Ihre Lust auf ihn trieb ihn an den Rand des Wahnsinns.
Eine Welle der Sehnsucht rollte auf ihn zu, stieg ihm aus den innersten Eingeweiden empor, und er stöhnte, als die Dämonen ihm zuschrien, er solle sie zerschellen lassen. Nur wenige Momente, Tröpfchen im Ozean der Zeit, und der Schmerz wäre vorüber. Aber nur für eine Weile. Ludovico spürte seinen Schutzengel neben sich, spürte, wie eine kühle Hand aus dem Jenseits seinen Kopf berührte und ihn daran erinnerte: So hatte ihn der Teufel schon immer gelockt, mit der Lüge, daß er mit der
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