Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.
zum Feuer der Alchimisten-Familie.
*
Im Dorf sah es inzwischen wie in einem Heerlager aus. Obwohl alle Bankerts auf die zehn Häuser verteilt worden waren, hielt es die meisten nicht in den dunklen Dielen, Küchen und Kemenaten. Einige der Vernünftigeren versuchten, sich auf einen längeren Aufenthalt unter dem Dach der Kathedrale einzurichten. Überall in den Vorgärten lagen schlafende Männer, Frauen und Kinder.
Sie hatten viel zu viel gegessen und getrunken. Ein paar junge Burschen, die ohne Familien zu Corvay gestoßen waren, wankten grölend und mit halbgeleerten Kruken über die Straße. Andere bewarfen sich mit Obst oder liefen quiekenden Schweinen hinterher!
Nachdem Nancy McGowan schreiend aus dem Buch-Heim geflohen war, versuchten fünf Mann, die schwere Tür aufzubrechen. Sie hatten keinen Erfolg ...
Llewellyn Corvay saß mit seinen Beratern im Schatten der Linde. Sie hatten sich Wein, trockenes Brot, Käse und eine große Pfanne Rührei bringen lassen. Inzwischen waren sie bei scharfgewürzten Plätzchen angelangt.
»Wir müssen einen Arbeitsplan aufstellen«, sagte Menennery Luck besorgt. »Wenn wir nicht bald für Ordnung sorgen ...«
»Hör endlich auf mit deinen Plänen und Gesetzen!« unterbrach ihn König Corvay scharf. »Ich sehe selbst, was hier geschieht! Sie laufen alle auseinander. Jeder macht, was er will! Solange noch genügend Schander -Vorräte da sind, denkt noch niemand daran zu arbeiten! Selbst, wenn wir sie jetzt antreiben, würden sie uns nur auslachen ...«
»Corvay hat recht«, sagte Galus. »Macht kann nur der ausüben, der über Stärke oder Herrschaftswissen verfügt. Wir haben weder das eine noch das andere. Solange wir noch auf der Suche nach dem Sakriversum waren, konnten wir unsere Leute mit Versprechungen zusammenhalten. Aber das ist jetzt vorbei. Jetzt müssen wir zusammen leben - ob wir wollen oder nicht!«
»Na also!« schnaubte Hector.
»Moment mal!« Galus hob die Hände. »Wer sagt denn, daß die anderen uns weiterhin als Führungsgruppe anerkennen? Und was passiert, wenn einige begreifen, daß wir sie in eine große Mausefalle gelockt haben?«
»Da sitzen wir doch selbst drin«, knurrte Ed Jankowski. Severino stimmte ihm zu.
»Macht das einen Unterschied?« fragte Patrick Murphy. Er saß zwischen seinen Kesselpauken und fütterte sein Muli mit frischen Möhren.
»Ich denke, daß wir nur noch eine Chance haben«, sagte er. Die anderen sahen ihn abwartend an.
»Wir müssen die Schander ins Dorf holen!«
»Du bist verrückt!« schnaufte Hector. »Die haben wir doch gerade erst hinter den Wald verbannt!«
»Das war ein Fehler«, behauptete Patrick.
»Und warum soll das ein Fehler gewesen sein?« fragte Corvay mißtrauisch. Schon in den vergangenen Wochen hatte er sich immer wieder gefragt, wer ihm eines Tages gefährlicher werden könnte - der hochintelligente, aber verbitterte Galus oder der feine, aristokratisch wirkende Patrick mit seinem Muli.
Während der langen Suche nach dem Sakriversum waren die beiden stets auf Distanz bedacht gewesen. Zum erstenmal nach vielen Tagen fragte sich Llewellyn Corvay, ob es klug gewesen war, so unterschiedliche Männer zu seinen Beratern zu ernennen.
Er sah sich in der Runde um. Außer Hector mit seinen Brustriemen sah er niemanden, auf den er sich wirklich verlassen konnte. Ed Jankowski war ein Dieb, der bei allem, was er tat, nur auf den eigenen Vorteil bedacht war. Sein feister Partner Severino war zu dumm, um zu verstehen, was wirklich vorging.
Corvay bedauerte, daß Lello nicht mehr da war. Der flinke Narr hatte von Anfang an gewußt, daß alles nur Theater war. Mit seiner vorgetäuschten Tolpatschigkeit hatte er die Bankerts in kritischen Situationen immer wieder zusammengehalten.
Corvay erkannte plötzlich, daß dieser Lello fast wie ein Sohn für ihn gewesen war. Und ausgerechnet der, dem er vor Hector am meisten vertraut hatte, war ihm davongelaufen ...
»Was ist, Patrick?« fragte er ungeduldig. »Warum sollen wir die Schander hierher holen?«
»Aus zwei einfachen Gründen: Sie sind die einzigen, die hier jeden Stein und jeden Dachbalken kennen. Dieses Wissen brauchen wir, wenn wir überleben wollen ...«
»Wir haben die Clan-Chefs«, unterbrach Galus.
»Richtig! Aber seht sie euch doch an! Sie hocken wie alte Eulen im Kreis und rühren sich nicht. Das wird sich auch nicht ändern, solange sie von ihren Familien getrennt sind!«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich bin ein Züchter«, sagte
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