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Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Titel: Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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Stoffballen, Werg, Kornsäcke und Mehl! Ich mache Wachs heiß ...«
    »Jemand muß die Männer verständigen«, keuchte Agnes.
    »Das könnte ich tun«, bot Nancy an. Agnes warf ihr einen Sack Mehl zu.
    »Ich kann hier oben schneller laufen als du!«
    »Wenn ich Jans Motorrad finden würde ...«
    Agnes richtete sich auf. Sie wischte sich mit dem Ärmel über die erhitzte Stirn.
    »Du meinst diese laute Maschine?«
    Nancy nickte.
    »Sie steht an der Linde. Kannst du mich mitnehmen?«
    »Mitnehmen? Warum?«
    »Mir glauben die Clan-Chefs!«
    Nancy überlegte kurz. Ihr war nicht wohl bei dem Gedanken, vor Corvay zu treten. Aber gemeinsam konnten sie es vielleicht schaffen!
    »Komm!« sagte sie schnell.
    »Wir holen die Männer«, rief Agnes Mathilda zu. »Zieht euch in die Alkoven zurück, wenn das Wasser zu hoch steigt!«
    »Agnes! Bleib hier!«
    »Wir müssen uns beeilen«, entschied Agnes. Zusammen mit Nancy eilte sie durch die hohe dunkle Diele.
    In den Gräben der Dorfstraße sammelte sich bereits das Wasser, das durch die leerstehenden oberen Häuser strömte. Der Bach war längst über seine Ufer getreten. Wild schäumend schossen tosende Flutwellen um die Fundamente des Buch-Heims.
    Was kein Krieg und keine Bedrohung von außen geschafft hatten, wurde plötzlich zur furchtbaren Wirklichkeit:
    Das Sakriversum zerstörte sich selbst ...
    »Die Felder weinen!« sagte Agnes mit einem traurigen Blick nach oben. Jetzt sah auch Nancy, wie überall neue Quellen entstanden. Die Erde platzte einfach auf. In immer tiefer werdenden Furchen quoll schmutzigweißes Wasser über die schrägen Hänge.
    Jans Motorrad stand noch unter der Linde. Nancy schwang sich in den Sattel.
    »Stell dich auf die hintere Verstrebung und halte dich an mir fest!« sagte sie schnell. Agnes biß die Zähne zusammen. Es knallte dreimal, aber der Motor gurgelte nur.
    Überall schrien Kinder, Frauen und Tiere. Unten im Irrlichtmoor waberten grünliche Lichtschleier gegen das Dach der Kathedrale. Gleichzeitig mit einer dumpfen Explosion im verbotenen Gebiet sprang Jans Motorrad an.
    »Festhalten!« rief Nancy. Sie wendete, dann gab sie Gas. Die beiden Mädchen rasten wie höllisch lärmende Furien über die Dorfstraße. Ihre langen Haare peitschten um ihre Köpfe. Dann kam die erste, bereits überspülte Straßensenke ...
    *
    Goetz kletterte über die letzten Mauervorsprünge am Rand des Rosettenfensters. Die Stadt unter ihm war ebenso still wie der hohe Bau der Kathedrale. Es war eine beängstigende, körperlich schmerzende Stille.
    Seit er denken konnte, war er immer von Geräuschen umgeben gewesen. Hier oben regte sich nicht einmal ein Blatt im Wind. Die Sonne schien heiß und grell auf die Häuser. Kein Vogel flog und selbst die fernen Zirrusschleier am Himmel wirkten wie festgeklebt im Blau.
    Es war, als wäre die Zeit ebenso gestorben wie die Menschen und die Tiere.
    Ob wirklich alle tot waren? Auch auf der anderen Seite der Erde? Er würde es nie erfahren!
    Er seufzte, dann schulterte er erneut seinen Verpflegungsbeutel. Nein - er machte sich nichts mehr vor. Vielleicht konnte er noch ein Jahr leben oder auch zwei. Er hatte in den letzten Tagen zuviel unsichtbares Gift angefaßt und eingeatmet ...
    Dort, wo er einige Tage vorher die Wunderwelt des Sakriversums betreten hatte, war das Rosettenfenster zugemauert.
    Goetz hob die Brauen. Er suchte an anderen Stellen, kam wieder zurück.
    »Unmöglich!« murmelte er kopfschüttelnd. »Hier war doch ...«
    Er beugte sich vor. Winzige Steinbrocken, nicht größer als ein Viertel Fingernagel, waren sauber übereinandergeschichtet und mit Mörtel verfugt. Unten war der Speis bereits hell und hart geworden - weiter oben entdeckte er noch dunkle Spuren von Feuchtigkeit.
    Sie hatten ihr Sakriversum wieder verschlossen.
    »Wie vor siebenhundert Jahren«, sagte Goetz leise. Er lächelte, obwohl er sich plötzlich ziemlich elend fühlte. Er legte ein Ohr an die neuerrichtete Mauer im Fenster. Wie aus weiter Ferne hörte er leise Geräusche. Es klang nach Schmieden, Steinmetzen und Zimmerleuten bei der Arbeit ...
    Steine bröckelten über ihm ab. Er duckte sich und blickte nach oben. Das Schaben, Knirschen und Steinpoltern wurde lauter. Dort, wo über dem Rosettenfenster die steilen Schrägen des Daches zusammenstießen, befand sich eine Schein-Rosette. Sie war von unten kaum zu sehen.
    Genaugenommen hatte die Westfassade der Kathedrale sogar drei Rosetten: das große Rund, durch das farbiges Licht ins

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