Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.
konnte.
Nachdem er die restlichen Patronen eingesteckt hatte, hielt er den Revolver vor sich und stieg langsam nach unten. Der Verwesungsgeruch wurde immer unangenehmer.
Und dann sah er ihn! Es war einer der Küster.
Mit beiden Händen, die jetzt wie furchtbare Krallenzangen aussahen, hielt der Tote ein Bund mit Schlüsseln fest. Goetz erkannte altmodische Bartschlüssel, Sicherheitsschlüssel und Codekarten, mit denen sich moderne Schlösser öffnen ließen.
Obwohl er nicht ahnte, wofür er den Schlüsselbund benötigen könnte, löste er ihn aus den Händen des toten Küsters und steckte ihn ein, nachdem er ihn mit einem ausgewickelten Päckchen Schnellverband abgewischt hatte.
Er wollte bereits wieder nach oben steigen, als ihm einfiel, daß er neue Überlebensregeln erfinden mußte. Er durfte einfach nicht an Möglichkeiten vorbeigehen, die eine Gefahr oder auch eine Chance für ihn bedeuten konnten!
Der Tote hatte die Tür am unteren Ende der Treppe nicht mehr geöffnet. Warum nicht?
Zögernd nahm Goetz das schwere Schlüsselbund. Er probierte verschiedene Möglichkeiten aus. Beim neunten Versuch hörte er ein leises Zischen. Die schwere, eisenbeschlagene Holztür gab nach. Grelles Licht flutete ihm entgegen. Er schrak zurück. Geblendet schloß er für einen Moment die Augen, dann blinzelte er vorsichtig in die unerwartete Helligkeit.
Hinter den meterdicken Steinmauern befand sich ein zwölfeckiger Raum. Zwölf Männer saßen wie zu einem letzten Abendmahl versammelt an einem blankgeschrubbten Holztisch. Sie trugen kostbare Gewänder wie zu einem hohen Kirchenfest.
Keiner der Toten wirkte verwest.
Starr und mit überirdisch lächelnden Gesichtern hatten sie sich im Bleikeller neben der Krypta der Kathedrale zu einem letzten Glas Wein zusammengesetzt.
Goetz konnte nicht verstehen, warum keiner der zwölf leblosen Geistlichen im Augenblick des Todes zusammengesunken war. Sie wirkten so, als würden sie nur beten ...
Das grelle Licht kam aus quadratischen, wie Kirchenfenster bemalten Leuchtplatten an der Decke der Bleikammer. Goetz hüstelte. Er ging langsam um den Tisch herum. Bis auf kostbare Kristallgläser, mit Edelsteinen verzierte Karaffen und Gebetbücher und ein paar Rosenkränze war der Tisch leer.
Goetz stieß mit der Schulter gegen eine halbgeöffnete Holztür. Sie war dem strengen Stil der Bleikammer neben der Krypta nachempfunden, konnte aber bestenfalls dreißig Jahre alt sein. Zwischen dem Schnitzwerk glänzte hell und metallisch die Außenseite eines Panzerschotts.
Goetz lehnte sich gegen die massive Tür. Er hatte erwartet, daß sie nur schwer beweglich sein würde. Erstaunlicherweise reagierte das Schott schon auf seine erste Berührung. Ohne den geringsten Laut schwang es zurück.
Er taumelte in einen matt erleuchteten, schon auf den ersten Blick steril wirkenden Raum. Indirekte Lichtquellen warfen sanftes Licht über lange Regalreihen.
Der Raum war etwa fünfzig Meter lang, zwanzig Meter breit und knapp fünf Meter hoch. Er mußte weit über die Fundamente der Kathedrale hinausreichen. Die Seitenwände waren aus massivem Fels gehauen, nicht immer rechtwinklig, aber doch ziemlich genau.
Das erste, was er in den Regalen sah, waren Waffen. Verwirrt starrte Goetz auf das Arsenal von Krummschwertern, Bihändern, Langbogen, Armbrüsten und Vorderladern. Er entdeckte Stapel mit Morgensternen, Steinschleudern und Hunderte von unterschiedlichen Messern und Dolchen.
Kopfschüttelnd ging er an den Regalen entlang. Weiter hinten standen Kisten mit modernem Mordwerkzeug. Er begriff einfach nicht, wofür das alles gesammelt und gelagert worden war. Die beiden Duellpistolen fielen ihm wieder ein. Auch sie ergaben keinen Sinn ...
Hinter den Kisten standen ganze Batterien von Bildschirmen mit komplizierten Hebeln und Tastaturen. Sie wirkten wie ein elektronisches Museum ...
Und dann sah er die Konserven. Sein Magen knurrte unwillkürlich, als er den riesigen Lebensmittelschatz entdeckte. Zögernd nahm er eine Büchse aus dem Regal.
Doppelte Kraftbrühe mit Markklößchen, fein abgestimmt mit Weißwein au Chateau de Chassagne-Montrachet , vitaminsiert. NOTSTANDSKONSERVE nach Euro-Norm.
Mit zitternden Fingern drückte er auf den Markierungsring für die Selbsterwärmung der Konserve. Er fand einen Löffel aus gepreßter, grauer Rezyk-Schlacke. Die heiße Konserve ließ sich nur mühsam öffnen. Als er es endlich geschafft hatte, machte ihn der Weinduft fast verrückt.
Vor jedem Löffel
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