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Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Titel: Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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verdammt noch mal! Wach endlich auf, Jan! Du bist nicht mehr in Bronx, sondern in Europa, kapiert?«
    »Ja.« Er nickte. »In Europa. Da wollte ich immer schon mal hin.«
    Sie nahm ihn an den Schultern und schüttelte ihn.
    »He, nicht so stürmisch!«
    »Was ist denn mit dir los, Jan? Wach doch endlich auf.«
    Er wischte sich mit dem Handrücken über die Augen.
    »Wenn du wüßtest, wie ich mich fühle ...«
    »Denkst du, mir geht es besser? Wenn ich das geahnt hätte, wäre ich nie auf das Gerede vom großen Kathedralenfest reingefallen! Rückkehr ins Sakriversum! Heilige Prophezeiung und der ganze andere Unsinn!«
    »Aber trotzdem gut gemacht«, stöhnte Jan. »Corvay hätte Politiker werden sollen ...«
    »Jetzt ist er König!«
    »Und wir sind in eine verdammte Emo -Falle gelaufen! Niemand hat uns gezwungen, nach Europa zu gehen. Wir hätten weiterhin auf unserer Seite des großen Teichs leben können ...«
    » ... wenn dort jetzt überhaupt noch jemand lebt«, unterbrach ihn Nancy. Jan blickte auf.
    »Glaubst du etwa, daß dieser ganze Spuk echt ist?«
    »Ja«, nickte sie. »Corvay muß eine Menge mehr wissen als wir. Außerdem stand das Datum schon lange fest. Wir sind nicht zufällig hier, Jan! Denk doch nur an die Zahlenzeichen: der große Blitz hat die Weltlichen am achten März dieses Jahres ausgelöscht, am 8. 3. 2018! Das ergibt die Quersumme zweiundzwanzig. Wenn man den Nostradamus-Quartain vom Untergang der Welt hinzuzählt, ergibt sich durch neun und sieben die Quersumme achtunddreißig ...«
    »Und was bedeutet das?«
    »Daß nur zwei Völker übrig bleiben«, sagte Nancy. »Ziehst du die zwei von achtunddreißig ab, hast du die weise Zahl von Pythagoras und seiner Schule. Mit sechsunddreißig wurde der Kreis eingeteilt, das Sonnenjahr geordnet, die Zahlenlehre der Kabbala bestimmt und der Seelenbaum der Eu-daimon-ia berechnet ...«
    Jan sah seine schöne Partnerin nachdenklich an.
    »Woher weißt du das alles, Nancy?«
    »Es gab in der Vergangenheit der Schander und der Bankerts nicht immer nur die vollkommene Isolation«, sagte sie leise. »In der sechsten Generation beschlossen die Schander -Familien , daß keiner der zwölf Clans mehr als sechs Angehörige haben sollte. Mehr Menschen konnte das Sakriversum damals nicht ernähren.«
    Nancy sah auf.
    »Sie waren auch schon damals kleiner als andere Menschen, aber noch nicht so klein, wie wir es heute sind. Es müssen furchtbare Jahrzehnte für die Schander gewesen sein und noch grausamere für die Bankerts auf der unfruchtbaren Nordseite des Kathedralendachs.«
    Nancy erzählte wie in Trance. Sie sah durch Jan hindurch, als wäre er nicht da.
    »Der Zwölf-Familien-Beschluß der Schander war eine notwendige Schutzmaßnahme gegen Überbevölkerung. Aber einige Schander hielten die Geburtenregelung und Kindestötung für ein Verbrechen gegen Gott. Sie wollten einfach nicht verstehen, daß sie alle umbrachten, wenn sie nicht bereit waren, überzählige Sprößlinge frühzeitig auszumerzen ...«
    »Der Wald kappt seine wilden Triebe selbst«, nickte Jan nachdenklich. »Wer das verhindert, wird zum wahren Mörder ...«
    Einige Schander haben damals das Sakriversum verlassen. Das ist auch später noch manchmal vorgekommen. Die meisten überstanden nicht einmal die ersten Wochen außerhalb ihrer Welt. Nach dem Zwölf-Familien-Beschluß durfte Ulrich, der Enkel von Reinard und Urenkel von Wetzel und Breida, nicht mehr heiraten. Er war ein hübscher, dunkelhaariger Bursche, der an das Standbild des Baumeisters erinnerte, das im Buch-Heim oben im Sakriversum stehen soll. Ulrich verließ seine Welt und ging zur Nordseite.
    Und weil er eine Menge vom Ackerbau verstand, durfte er eines der schönsten und intelligentesten Bankert-Mädchen zur Frau nehmen. Sie hieß Gwendolyn. Die Nachkommen der beiden wanderten vierhundert Jahre später nach Amerika aus. Sie haben stets die Erinnerung an die beiden Seiten des Sakriversums in sich bewahrt ...«
    Jan sah Nancy lange an.
    »Jetzt weißt du, warum ich einige Geheimnisse des Sakriversums kenne«, sagte sie scheu lächelnd.
    »Aber du bist doch gar keine ... hm ... Geborene ...«
    Sie lachte.
    »Aber meine Schwester-Mutter war es! Ich bin ihr jüngeres Duplikat. Geklonte wissen das gleiche wie die Originale! Ich kenne sogar Dinge, die meine Schwester-Mutter nur in ihrem Unterbewußtsein bewahrt hatte ...«
    Sie wurde plötzlich wieder ernst.
    »Davon darf Llewellyn Corvay nie etwas erfahren ...«
    Jan sah zu den

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