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Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Titel: Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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nie mehr lösen konnte, kalte Schauer über den Rücken liefen. Eigentlich hatten nur wenige Menschen sich selbst verstanden! Aber auch diese Wenigen hatten es nicht geschafft, sich und die anderen vor dem Untergang zu bewahren ...
    Ob irgendwo noch Tiere lebten?
    Er hatte niemals überlegt, wie Neutronenbomben wirklich wirkten. Er erinnerte sich nur an einen Roman von Jules Verne, in dem eine Kältebombe eingesetzt werden sollte, die alles Leben vernichtete und die Gebäude unversehrt ließ.
    Alles Leben?
    Irgendwo mußte eine Sterbegrenze sein, die zwischen Primaten und Mikroben, Sauriern und Blattläusen unterschied. Hatten nicht Eier von kleinen Krebsen Jahrmillionen im heißen Wüstensand überlebt? Konnten nicht Embryos eingefroren und Erbinformationen aus Zellkernen geklont werden?
    Er starrte auf den Bildschirm und hatte plötzlich Angst davor, mehr zu erfahren. Wo sollte er ansetzen?
    Er kam sich vor wie ein hungriger Mann, der unvermutet in ein Delikatessengeschäft geraten ist. Er brauchte nur die Hand auszustrecken, um das zu bekommen, was lange Zeit unerreichbar für ihn gewesen war.
    Zum erstenmal in seinem Leben konnte er sich alle Informationen beschaffen, die ein seelenloses, aber objektives Datensystem gespeichert hatte - ohne Filter, ohne Zensur und ohne einengende Denkschablonen ...
    Die Wahrheit!
    Als letzter Mensch hatte er ein Recht darauf, alles zu erfahren, was zu der Katastrophe geführt hatte! Er wollte wissen, warum er als einziger übrig geblieben war und warum es keine anderen mehr gab ...
    Keine anderen?
    Beinahe trotzig tippte er die Basisdaten für den Themen-Suchbaum ein. Das Prinzip war nicht anders als beim Bildschirmtext oder beim Zweiweg-Kabelfernsehen. In den letzten Jahrzehnten vor dem Untergang hatten die meisten Menschen gelernt, Erinnerungen nicht nur im eigenen Kopf oder in Büchern zu speichern. Natürlich hatte es auch das noch bis zum Schluß gegeben, aber bereits die vor der Jahrtausendwende geborenen Kinder waren nicht mehr auf das Erkennen von Zusammenhängen durch eigene Denkleistungen geschult worden.
    Warum sollte man sich noch irgend etwas merken? Warum nachdenken? Warum überhaupt jahrzehntelang lernen, wenn es genügte, einige Sensortasten unter einem Bildschirm zu bedienen, um jederzeit umfassende Antworten zu bekommen ...
    Die Geschichte der Menschheit war Jahrtausende lang ein Kommunikationsproblem gewesen. Ja, vielleicht hatte sich die menschliche Rasse nur deshalb über alle anderen Lebensformen erheben können, weil ihre Kinder mehr als ein Dutzend Jahre brauchten, ehe sie fähig waren, auf sich allein gestellt den Kampf gegen eine feindliche Umwelt aufzunehmen. In dieser außergewöhnlich langen Zeit der Abhängigkeit von den Eltern mußte sich zwangsläufig eine Sprache entwickeln, die über den Austausch symbolhafter Laute hinausging.
    Während die anderen Lebensformen lange Zeiträume benötigten, um aus Erfahrungen allmählich Instinkte reifen zu lassen, wurde die menschliche Sprache zu einem einmaligen Trainingsinstrument für die unmittelbare Weitergabe von Informationen.
    Der nächste Schritt, die Erfindung der Schrift über den Weg der Amulette, Tabuzeichen und Hieroglyphen, hatte - zunächst bei den Eingeweihten und dann auch bei vielen anderen - einen explosionsartigen Kommunikationsboom ergeben. Jetzt konnten Nachrichten und Informationen immer schneller über immer größere Räume ausgetauscht werden. Die weitere Entwicklung war logisch: Stafetten, Brieftauben, drahtlose Telegrafie und schließlich Nachrichten-Satelliten, Datenbänke, weltweite Kommunikationsnetze ...
    Goetz von Coburg erkannte plötzlich, daß sich der Kreis geschlossen hatte. Der ganze phantastische technische Fortschritt war ein Denkfehler gewesen! Ein Entropie-Ektropie-Problem, bei dem das Ende von Anfang an einprogrammiert gewesen war!
    Im Wahn der Zukunftsgläubigkeit hatten die Menschen den integrierenden Faktor vergessen! Sie hatten verlernt, miteinander zu sprechen! Mit ihrer hochentwickelten Technik hatten sie sich selbst in eine Isolation begeben, die jedes einzelne Individuum mit einem Kokon aus vorfabrizierten, nicht mehr selbst erlebten Informationen einhüllte. Es war zuviel geworden - zuviel für den Einzelnen, um noch irgend etwas emotional nachzuempfinden oder so zu erleben, wie es wirklich war ...
    Goetz dachte unwillkürlich an die dunklen Zeiten des Beginns der Menschheit. Tief in ihm gab es immer noch eine Art Urerinnerung. Damals hatten die Menschen

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