Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.
Der runde Raum war in mehrere Ebenen unterteilt. Wie im Vorratslager öffnete sich nach einer Seite ein Gang, in dem Tausende von Requisiten untergebracht waren. Auf der anderen Seite türmten sich terrassenförmig mehrere Aufnahmeebenen übereinander. Zu jeder Ebene gehörte eine Art freischwebendes Storchennest mit Kamerakränen und Tongalgen. Im Zentrum jedes Krakengebildes leuchtete ein gläsernes Auge.
Im ersten Moment wußte Goetz nicht, wohin er geraten war, doch dann entdeckte er tote, wie Mumien wirkende Priester-Regisseure in den schwebenden Kuppeln. Sie hatten braune Kutten an und trugen altmodische Stoppuhren an bunten Kordeln um den Hals.
Vorsichtig kletterte Goetz über Leitern und Stufen höher. Er nahm den unverkleideten, rückwärtigen Weg zum Schnürboden, von dem wie riesige Blätter Hunderte von Kulissenwänden herabhingen. Genau gegenüber der Terrassen sah er mehrere Wandöffnungen. Während er immer höher stieg, entdeckte er Linsen und Projektoren, Laserkanonen und Geräte, die er nie zuvor gesehen hatte.
In halber Höhe versperrte eine eingebaute Kanzel seinen Weg. Sie sah wie eine gläserne Kommandobrücke aus. Vorsichtig schob er sich soweit vor, daß er ins Innere des Licht-Erkers sehen konnte.
Das mußte das eigentliche Zentrum sein!
Der Raum war kaum vierzig Quadratmeter groß. Goetz sah sich um. Wenn er sich nicht täuschte, befand sich die Zentrale genau unterhalb des Altars.
Er stieg über fünf schmale Stufen bis zu einer nach außen gewölbten Tür. Sie hatte weder Türklinken noch Handgriffe. Ein dünner Lichtbalken beleuchtete einen kaum sichtbaren Eingabeschlitz für Kennkarten.
Goetz versuchte es.
Eine Weile passierte überhaupt nichts, dann spuckte der Schlitz seine Kode-Karte wieder aus. Die Tür öffnete sich automatisch. Sie glitt einfach nach hinten, ehe sie in einer Wandausbuchtung verschwand.
Wie die Panzertür zu einem Safe, dachte er.
Ein enger, mattblau erleuchteter Gang lag vor ihm. Er stieg die letzten Stufen hoch und betrat den Gang. Ein eigentümliches Summen kam aus winzigen Öffnungen in den gewölbten Wänden. Irgendwie ahnte er, daß er von verborgenen Kontrollsystemen abgetastet wurde.
Sie ließen ihn passieren.
Schritt für Schritt bewegte er sich weiter. Am Ende des Gangs schützte eine rötlich glimmende Lichtschranke den inneren Zugang zur Zentrale.
Goetz wußte nicht, was er jetzt tun sollte. Er nestelte einen Schlüssel von dem Bund, den er vor dem Raum der Zwölf gefunden hatte. Vorsichtig ging er einige Schritte zurück. Er atmete tief durch, dann warf er den kleinen Metallschlüssel durch die rote Lichtschranke.
Das Licht wurde für einen Sekundenbruchteil heller.
»Versuchen Sie keine Verzögerungen!« sagte die bekannte Frauenstimme. »Wir warten auf Sie!«
Das rötliche Licht erlosch. Gleichzeitig öffnete sich die letzte Tür.
Goetz nahm seinen ganzen Mut zusammen. Instinktiv trat er härter auf. Er überwand die letzten Meter bis zur inneren Zentrale, ohne zu zögern.
Noch während er ins Licht trat, hatte er das Gefühl, dort angekommen zu sein, wo alles angefangen hatte ...
»Nehmen Sie Platz!« sagte die Frauenstimme. Der dicke Teppichboden ließ sie angenehm und weich erscheinen. An den gewölbten Wänden der inneren Zentrale arbeiteten ganze Batterien von Computern. Ihre Abdeckplatten waren in vornehmen Grautönen gehalten. Zusammen mit dem taubenblauen Teppich und den lichten Gewölbefarben machte die innere Zentrale den Eindruck einer ins Moderne übertragenen Mönchsklause, denn alles, was auf den ersten Blick spartanisch einfach wirkte, war zweckvoll, nüchtern und dennoch harmonisch eingeteilt.
»Nehmen Sie Platz!« - wiederholte die unsichtbare Hosteß. Keine Nonne hätte so kühl und gleichzeitig mit unterschwelliger Erotik sprechen können ...
Goetz ließ sich langsam in einen grauen Kunstledersessel sinken. Er legte seine Hände auf die weichen Armlehnen und stellte die Füße auf das Trittbord.
»Sehr gut! Geben Sie jetzt Ihre Anweisungen! Sie sind ab sofort Chef vom Dienst ...«
Goetz starrte auf die zuckenden, blinkenden Lichtzeichen an den Wänden. Mehrere Kameras fuhren mit leisen Klickgeräuschen aus verborgenen Luken. Sie schossen wie Tentakelarme auf ihn zu, richteten sich automatisch ein und warteten auf seine ersten Äußerungen.
Eine Konsole, die wie ein kleiner, hellgrau gepanzerter Teewagen aussah, rollte zu seinem Sessel.
»Zunächst die aktuelle Nachrichtenlage, Sir?« fragte der Teewagen. Es
Weitere Kostenlose Bücher