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Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Titel: Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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gaben plötzlich den Blick auf ein Reihendorf frei.
    Goetz fuhr zusammen. Seine Finger krallten sich in die weichen Armlehnen des Sessels. Er hatte nicht erwartet, plötzlich zwei Reihen von Häusern zu sehen ...
    Häuser! Zwölf verschroben wirkende, niedliche Fachwerkbauten mit schmalen, blumengeschmückten Vorgärten, Obstbäumen auf der anderen Seite, Gemüsegärten, Beeten für Küchenkräuter, Misthaufen, Rübenmieten, Kompostecken, Abfallplätzen, Geräteschuppen, leeren Schweinekoben, Hauklötzen zwischen Holzstapeln und Wäscheleinen über Rasenflecken.
    Die Bilder auf den Monitoren blieben stehen. Goetz hielt die Luft an. Er blickte auf die wundersamen, mehrfach vervielfältigten Luftaufnahmen auf den Bildschirmen.
    Das Dorf sah wie ein Modell aus, geformt nach den Plänen eines genialen, unbekannten Meisters. Oberhalb und unterhalb der grauen Straße standen jeweils sechs Fachwerkhäuser. Zusammen mit den Vorgärten und den schmalen Landstreifen jedes einzelnen Grundstücks bildeten die Anwesen ein gewölbtes Rechteck.
    Fast in der Mitte stand ein quadratischer, doppelstöckiger Bau mit einem pyramidenförmigen Dach. Die Mauern des größeren Gebäudes wirkten klobiger und älter als bei den kleinen Häuschen in den Gärten.
    Oberhalb des großen Hauses rauschte ein Bach über ein kleines Stauwehr. Er kam aus dem Dunkel über steil ansteigenden Feldern, plätscherte an Farnkräutern, Huflattich und Röhricht vorbei, floß über blankgespülte Steine und teilte sich, ehe er das alte Haus erreichte. An der Straße in der Mitte des Dorfes floß er wieder zusammen. Er verschwand für ein Stück unter einer Brücke, floß an einer Linde vorbei und schlängelte sich dann über saftige Wiesen bis zu einem kleinen See.
    Goetz entdeckte mehrere altmodisch wirkende Pumpwerke mit zylindrischen Spindeln, die nach dem archimedischen Prinzip zu funktionieren schienen. Doch jetzt bewegten sie sich nicht. Er konnte auch nichts sehen, was die Pumpspindeln angetrieben hätte.
    Ihn wunderte, daß sich außer ein paar Zweigen nichts im Dorf bewegte. Es war, als hätten die Bewohner ihre Häuser allesamt gleichzeitig verlassen ...
    Die Kameras flogen bis zum See. Suchten sie etwa auch die Menschen, die hier gelebt hatten?
    Gebannt verfolgte er die langsam wechselnden Bilder auf den Monitoren. Die Kameras flogen wieder höher. Sie strichen über weitere Hügel. Plötzlich entdeckte Goetz in einer halbdunklen Mulde eine eng beieinanderstehende Herde Schafe.
    Er wollte die Kameras anhalten, aber sie nahmen keine Notiz von seinen Bemühungen und flogen weiter. Goetz schnippte ärgerlich mit den Fingern.
    Gleich darauf liefen schnüffelnde Ferkel durch das Bild. Sie trippelten unter Büschen hindurch und verschwanden hinter einem Stapel Seilrollen am Rande eines flachen Tals.
    Die Kameras zogen in weiten Kreisbewegungen höher. Goetz konnte keine Einzelheiten mehr erkennen. Er sah, wie die Kameras in eine Dunkelzone eintauchten. Sie drehten sich, dann ruckten die Bilder auf den Monitoren. Er war, als hätten sich die Kameras in unsichtbaren Horsten festgesetzt ...
    Die Bilder auf den Monitoren veränderten sich. Lange Zahlenreihen glitten in unterschiedlichen, bonbonbunten Farben über die Bildschirme. Goetz konnte nichts davon verstehen.
    Er wollte bereits abschalten, als eine neue Aufzeichnung begann. Diesmal schien keine Sonne. Die Kameras flogen nicht, sondern setzten offensichtlich Teleobjektive ein. Das Dorf war noch immer leer, doch da kam plötzlich Wind auf.
    Der Wind fuhr durch Bäume und Sträucher, fegte Blätter und Blüten über die Dächer der Häuser und über die Dorfstraße.
    Er hörte keinen Laut, aber er sah, daß sich ein Unwetter anbahnte. Sturmböen peitschten das Gras auf den Wiesen. Am Stauwehr flogen weiße Schaumkronen über das Bachbett. An den Fenstern der Häuser pendelten geschnitzte Holzladen auf und zu. Es wurde immer dunkler. Gleichzeitig tauchten unterhalb des Dorfes grünliche Lichtschleier auf.
    Urplötzlich brach der Regen los. Genauso heftig und wütend wie in der vierten und der dritten Nacht vor der Katastrophe! Er erinnerte sich noch genau daran ...
    *
    Am Abend des 4. März hatte er früher als sonst den Verlag verlassen. Bis zu dem Altbau, in dem er eine kleine Mansarde bewohnte, waren es nur fünf Minuten. Er trug eine Tasche unter dem Arm, in der sich fünf Hühnereier, selbstgebackenes Brot, Zwiebeln und ein Kanten luftgetrockneter Bauernschinken befanden.
    Er freute sich auf den

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