Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Titel: Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
Vom Netzwerk:
tiefgezogene, schwarzbraune Dach klebte fast an der Teufelsmauer. Die Wände lagen bereits im Schatten. Neben dem Haus befand sich der Schuppen, in dem Meister Albrecht wertvolle Hölzer lagerte. Ein kleiner Backofen, ein verfallen wirkender Stall und ein mit allerlei Gerätschaften vollgestellter Hof ergänzten das Gehöft, das ganz anders aussah als die sauberen Häuser rechts und links der Dorfstraße.
    »Wir können morgen nach ihm sehen«, sagte Agnes. »Jetzt möchte ich erst einmal baden und andere Kleider anziehen!«
    »Baden ist gut!« sagte Guntram lächelnd. »Wollen wir im See schwimmen!«
    Sie nickte vergnügt.
    »Dann komm!«
    Sie hielten sich immer noch an den Händen, während sie vom großen, bunten Fenster über den ersten Hügel liefen. Ein kleiner Wald nahm sie auf. Zwischen den Bäumen war es bereits dunkel. Die frischen Blätter und der Boden rochen angenehm würzig.
    Es dauerte nicht lange, bis sie den Wald hinter sich hatten. Die ersten Erbsen, Bohnen und Wicken kamen bereits aus dem Boden. Nur am Kleeberg war noch nichts zu sehen.
    Als sie das Dorf erreichten, wurden ihre Schritte langsamer. Sie merkten plötzlich wieder, wie müde und erschöpft sie waren. Noch nie zuvor waren Schander in einer derart kurzen Zeit ins Sakriversum zurückgekehrt!
    »Es ist so still, Guntram!«
    Er legte einen Arm um ihre Schultern. Sie schmiegte sich an ihn.
    »Ich kann nicht mehr«, sagte sie leise.
    Sie hatten gerade das erste Haus erreicht. Es stand in einem Vorgarten mit gelben und dunkelblauen Stiefmütterchen, Löwenzahn und Beerenbüschen. Der kleine Vorgarten war verwildert.
    »Hier wohnt Meister Lamprecht«, sagte Guntram. Er öffnete das Gatter zum Vorgarten. Das große Holztor an der Giebelwand des weißgekalkten Fachwerkhauses war nicht verschlossen. Sie gingen hinein.
    Die hohe Diele war dunkel. Rechts und links befanden sich wie in allen Häusern des Dorfes die Ställe für Hühner, Ziegen oder ein Schwein. Weiter hinten lagen die Schlafkammern für Kinder und Großeltern. Luken in halber Höhe führten zu den Vorratsräumen. Am Ende der Diele trennte eine geschnitzte Galerie die Wohnküche vom Hauptraum. Durch offene Fenster fiel gerade noch soviel Licht, daß die Geschwister Teller, Pfannen und Töpfe über dem offenen Herd erkennen konnten. Der Herd hatte einen Kaminabzug und eine Uhlenflucht, die an den Regentagen mit glattgehobelten Bohlen verschlossen werden konnte.
    Guntram ließ Agnes los. Er lief in die Küche. Im gleichen Augenblick wunderte er sich über die Unordnung. Holzteller lagen zerbrochen auf dem Boden. Rest von Wurst und Wein hingen verklebt auf Stühlen und an den Wänden. Milchtöpfe waren umgekippt; Gesäuertes lag eingetrocknet zwischen den Holzscheiten am Herd.
    Guntram rümpfte die Nase.
    »Es riecht scheußlich«, stellte er fest. Agnes ließ sich dadurch nicht abhalten. Sie war schon immer praktischer veranlagt gewesen als ihr Bruder. Sie lief zum Wasserhahn an der Wand neben dem Herd und drehte ihn auf.
    Zuerst lief nur braunes, erdiges Wasser heraus. Agnes hielt ihre Handgelenke unter den Strahl. Das Wasser wurde klarer und kälter. Mit langen, durstigen Zügen trank sie aus ihren gegeneinandergelegten Handflächen.
    »Komm, Guntram, es schmeckt köstlich ...«
    Sie machte ihr Gesicht naß und leckte lachend die Tropfen aus den Mundwinkeln. Guntram zögerte kurz. Der Durst war stärker als sein Mißtrauen. Er trank und trank, bis er nicht mehr konnte. Sie ließen sich auf eine geschnitzte Holzbank fallen.
    »Ich möchte wissen, was hier geschehen ist«, schnaufte Guntram. »So kann doch keine Familie ihr Haus verlassen!«
    »Das war keiner von uns«, sagte Agnes, sie wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht.
    »Du meinst ... daß vielleicht die Bankerts ...«
    »Ja.«
    »Aber wann ... wann können sie hiergewesen sein?«
    »Nach unserer Flucht.«
    »Und warum sind sie nicht hiergeblieben?«
    »Das mußt du schon König Corvay höchstpersönlich fragen!«
    Guntram stand auf. Er merkte, wie schwer seine Glieder waren. Mühsam stieg er die Leiter zur Schlafkammer der Eltern hoch. Als er wiederkam, schüttelte er nachdenklich den Kopf.
    »Hier ist auch alles zerwühlt und durcheinander. Selbst von der Familienbibel haben sie nur Fetzen übrig gelassen ...«
    Agnes hatte inzwischen eine Dauerwurst und ein Stück hartes Brot gefunden.
    »Komm, iß etwas!« rief sie ihm zu. »Die Batterien funktionieren nicht mehr, sonst könnten wir uns Licht machen.«
    Er stolperte

Weitere Kostenlose Bücher