Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
hatte gerade einige Dokumente unterzeichnet.
» Pax vobiscum «, knurrte der Kirchenmann und präsentierte seinen Ring, den Michel bereitwillig küsste. »Was wollt Ihr? Mich ein wenig verhöhnen, weil es Euch gelungen ist, mich vor der ganzen Stadt zu demütigen? Oder habt Ihr in Eurer Niedertracht beschlossen, dass das nicht genügt und es Zeit für einen neuen Anschlag auf meine Würde ist?«
»Ich bin hier, um im Namen der Gilde und aller Schwurbrüder Frieden mit Euch zu schließen«, sagte Michel.
Ulman machte keine Anstalten, ihm einen Stuhl anzubieten. Stechend blickte er ihn an. »Wieso fällt es mir nur so schwer, Euren Worten zu glauben?«
»Die Gilde hat kein Interesse an einem dauerhaften Zwist mit Euch. Wir haben unser Recht durchgesetzt, und damit ist diese Angelegenheit für uns beendet. Es ist nicht unser Wunsch, uns gegen die Kirche zu stellen, und auf keinen Fall möchten wir uns Euren Zorn zuziehen.«
»Entschuldigt Euch für Euer schändliches Verhalten«, verlangte der Kirchenmann.
Michel kniete nieder, ganz der ehrerbietige Christ und Untertan. »Es war niemals unsere Absicht, Euch zu demütigen, Exzellenz. Falls das geschehen ist, erflehen wir Eure Verzeihung. Bitte, nehmt unser Friedensangebot an, zum Wohle der Stadt und ihrer Bürger.«
»Erhebt Euch.« Ulman wirkte besänftigt, wenngleich sein Zorn nicht gänzlich verschwunden war. »Das ist nicht der einzige Grund, warum Ihr hier seid, richtig?« Natürlich hatte er die Pergamentrolle unter Michels Arm bemerkt.
Michel nickte. »Ihr seid dafür bekannt, Eure Macht weise und zum Wohl der einfachen Leute einzusetzen. Deshalb hat die Gilde eine Bitte an Euch.«
»Welche?«, fragte Ulman argwöhnisch.
»Wir möchten eine Brücke über die Mosel bauen und erbitten Eure Zustimmung.«
»Ich hätte mir denken können, dass sich hinter Eurem heuchlerischen Ersuchen um Frieden und Versöhnung der pure Eigennutz verbirgt. Ich sollte Euch auf der Stelle hinauswerfen!«
»Natürlich sind mit dem Brückenbau geschäftliche Erwägungen verbunden – schließlich sind wir Kaufleute. Aber er ist auch ein Teil unserer Bitte um Versöhnung: Die Brücke soll für den neuen und dauerhaften Frieden zwischen Gilde und Kirche stehen.«
Ulman schnaubte missmutig. »In Wahrheit geht es Euch doch nur darum, dass ich den Bau bezahle.«
»Wir fordern keinen Denier vom Bistum. Die Gilde und die Schwurbrüder kommen für sämtliche Kosten auf, für die Steinmetze, die Maurer, die Zimmerleute und das Material. Alles, was wir von Euch wünschen, ist Euer Einverständnis.«
»Keinen Denier?«
Michel nickte. »Keinen Denier.«
Dies nahm Ulmans Widerstand einiges von seinem Schwung. Doch genau, wie Charles Duval prophezeit hatte, schien er sich vor einem neuerlichen Gesichtsverlust zu fürchten. »Ich muss darüber nachdenken. Die Folgen eines solchen Bauwerks abwägen. Möglicherweise verursacht eine neue Brücke mehr Schaden als Nutzen. Was ist mit Aristide de Guillory? Er wird es kaum hinnehmen, dass ihm die Zolleinnahmen wegbrechen.«
Das war eine Ausrede. Ganz Varennes wusste, dass der Bischof nicht sonderlich viel für de Guillory übrig hatte und sich einen Dreck um dessen Wohl scherte. Er wollte lediglich Zeit gewinnen. Michel beschloss, den letzten Pfeil in seinem Köcher abzuschießen. »Wir sind davon überzeugt, dass der Nutzen einer neuen Brücke für Varennes gewaltig sein wird. Lasst mich Euch die Pläne zeigen. Sie werden Eure Bedenken zerstreuen.«
Er rollte das Pergament auf dem Tisch aus. Die Konstruktionszeichnung war sehr schlicht, mehr eine Skizze, und weit von einem fertigen Bauplan entfernt – ein Steinmetz hatte sie gestern nach der Gildenzusammenkunft in aller Eile angefertigt. Michel erläuterte den Aufbau der Brücke und ihre Beschaffenheit. Ulman hörte ihm kaum zu. Sein Blick haftete an einem einzigen baulichen Element, von dem Michel in weiser Voraussicht eine Vergrößerung hatte zeichnen lassen.
»Eine Statue soll die Brücke schmücken?«, fragte er betont beiläufig.
Michel lächelte, als hätte er nicht gedacht, dass Ulman diese Einzelheit auffallen würde. »Sie wäre unser Geschenk an Euch, als Zeichen unserer Freundschaft.« Er fand, dass die Abbildung ausnehmend gelungen war. Die Statue stellte Ulman dar, wie er imposant und machtvoll über die Mosel blickte, weithin zu sehen für jeden Reisenden, der die Brücke überquerte – das Sinnbild eines gütigen und gleichzeitig unerbittlichen Kirchenfürsten und
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