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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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sie an den Armen und hoben sie hoch; Gaspard warf ihr seinen Mantel über. Sie blinzelte gegen die Sonne. Bevor ihr Bruder und seine Knechte sie wegzerrten, entdeckte sie Michel am Straßenrand. Ayol und Houn hielten ihn fest.
    Es war das letzte Mal für lange Zeit, dass sie ihn sah.
    Später konnte sich Michel nicht mehr daran erinnern, wie er nach Hause gekommen war. Reglos saß er im Gesellschaftssaal und schaute aus dem Fenster. Auf dem Domplatz zerstreute sich allmählich die Menge, und die Leute gingen wieder ihrem Tagwerk nach, als wäre nichts geschehen.
    Er blickte zu Gaspards Haus, in dem Isabelle vor einer halben Stunde verschwunden war. Was würde Gaspard mit ihr machen? Würde Michel jemals wieder mit ihr sprechen können?
    »Herr.«
    Er wandte sich um. Foulque kam herein.
    »Ich bringe Euch einen Becher Wein. Das wird Euch guttun, nach allem, was Ihr heute erleiden musstet.«
    Schweigend musterte Michel den Knecht. Er konnte nicht erklären, woher er die Gewissheit nahm, dass Foulque Isabelle und ihn verraten hatte – sie war einfach da. Irgendetwas in dessen Gesicht erschien ihm plötzlich falsch, aufgesetzt, maskenhaft. »Du bist entlassen«, sagte er. »Pack deine Sachen und geh.«
    »Was habe ich falsch gemacht, Herr?«, fragte der Knecht.
    »Hör auf, mich zum Narren zu halten. Verschwinde, na los! Wenn du mein Haus nicht in einer halben Stunde verlassen hast, prügle ich dich hinaus.«
    Ohne ein weiteres Wort ging Foulque.
    Michel griff nach dem Weinkelch und nahm einen Schluck. Plötzlich packte ihn solche Wut, dass er den Becher gegen die Wand schleuderte, wo der Wein einen sternförmigen Fleck hinterließ.
    Irgendwann kamen Matenda und Thérese herein. Die junge Magd nestelte an ihrer Schürze und starrte zu Boden; die Köchin hingegen blickte ihm fest in die Augen. »Wir möchten Euch bitten, uns aus Euren Diensten zu entlassen«, erklärte sie.
    »Wieso? Habe ich euch schlecht behandelt? Euch zu wenig Lohn gezahlt?«
    »Für eine ehrbare Frau geziemt es sich nicht, in einem Haus wie diesem zu arbeiten.«
    »Siehst du das auch so, Thérese?«, sprach er die Magd an. »Oder hat Matenda dich überredet?«
    »Ich … ich sehe es auch so«, murmelte Thérese, ohne den Kopf zu heben.
    Michel nickte langsam. »Wie ihr wollt. Ihr könnt gehen.« Er griff in sein Wams und holte seine Börse hervor. »Hier sind für jede von euch drei Sous. Damit solltet ihr über die Runden kommen, bis ihr eine neue Stelle gefunden habt. Viel Glück.«
    An der Tür drehte sich Matenda noch einmal zu ihm um. »Ich danke Gott, dass Euer Herr Vater nicht mehr unter uns weilt. Was heute geschehen ist, hätte ihm das Herz gebrochen.«
    Wenig später sah Michel, wie Matenda, Thérese und Foulque mit Sack und Pack das Haus verließen. Während die beiden Frauen zur Grande Rue gingen, blieb Foulque vor dem Stand eines Weinhändlers stehen, und als er ein letztes Mal zu ihm aufblickte, sah Michel endlich sein wahres Gesicht. Es war ganz und gar nicht fröhlich und offenherzig, sondern hart, kantig, ohne jedes Mitgefühl. Foulque spuckte aus, schulterte seinen Beutel und verschwand zwischen den Marktständen.
    Michel bemerkte, dass Louis hereingekommen war.
    »Willst du mich auch verlassen?«
    »Nein, Herr, ich bleibe. Ich wollte nur fragen, ob ich Matendas Bett haben kann. Es ist größer als meins, und ich dachte …«
    »Nimm es dir, Louis. Such dir das Bett aus, das dir am besten gefällt. Du hast ja jetzt die freie Auswahl.«
    »Ich fordere, dass Herr de Fleury aus der Kaufmannsgilde von Varennes-Saint-Jacques ausgeschlossen wird«, sagte Gaspard, und seine Stimme hallte von den Steinwänden des Saales wider. »Er hat auf niederträchtigste Weise seinen Gildeneid gebrochen, als er Hernance und mich betrogen und vor der ganzen Stadt gedemütigt hat. Damit hat er jegliches Recht auf unsere Freundschaft und brüderliche Unterstützung verwirkt. Er ist eine Schande für unsere Gemeinschaft.«
    Als die Worte verklangen, herrschte Stille in der Halle. Schweigend blickte Michel in die Runde. Er hatte gewusst, was ihm bevorstand, als er zur Gildehalle gegangen war. Duval hatte ihn freundlicherweise vorgewarnt, dass Gaspard die Schwurbrüder zusammengerufen hatte, um seinen Ausschluss zu fordern.
    »Ihr erhebt schwere Vorwürfe gegen unseren Meister«, sagte Géroux und wandte sich an Michel. »Wollt Ihr Euch dazu äußern?«
    »Erspart uns dieses heuchlerische Gerede, Géroux. Ihr seid ein schlechter Schauspieler. Innerlich reibt

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