Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Ihr Euch gerade die Hände, das sieht sogar ein Blinder.«
»Ist das alles, was Ihr dazu zu sagen habt?«, erwiderte der Sklavenhändler kalt.
»Ich habe meine Schuld gestern vor Bischof Ulman und dem Schöffengericht gestanden«, erklärte Michel. »Nun liegt es an den Schwurbrüdern zu entscheiden, ob ich Mitglied der Gilde bleiben darf.«
Catherine, die ihm gegenübersaß, forderte ihn mit einem beschwörenden Blick auf zu kämpfen, sich zu verteidigen. Michel jedoch wäre es würdelos erschienen aufzustehen, seine Vergehen kleinzureden und seine Schwurbrüder anzuflehen, ihn nicht zu verstoßen. Er hatte in den vergangenen Tagen wahrlich genug Demütigungen erlitten. Er würde sich nicht noch einmal erniedrigen, nur damit man ihm Gnade gewährte.
Duval räusperte sich und betrachtete die Dokumente, die vor ihm lagen. »Ich habe mir unsere Statuten und die gesammelten Aufzeichnungen dazu angesehen. Es ist mehrfach überliefert, dass Gildenmitglieder wegen Ehebruchs und Unzucht vor dem Sendgericht verurteilt wurden. In allen Fällen mussten sie der Gilde eine Strafe für die Verletzung ihres Eides zahlen, deren Höhe sich nach ihrem Vermögen richtete. Niemals aber wurde ein Schwurbruder deswegen verstoßen …«
»Es hat auch noch kein Gildenmitglied Ehebruch mit dem Weib eines Schwurbruders begangen«, fiel Gaspard ihm ins Wort. »Was er getan hat, ist einmalig in der Geschichte unserer Gemeinschaft. Eine Geldstrafe ist viel zu mild für eine solche Schande.«
Michel entging nicht, dass einige Kaufleute nickten – nicht nur die üblichen Verdächtigen, auch Baffour und natürlich der ach so fromme Thibaut d’Alsace.
»Niemand bestreitet, dass Herr de Fleury ein Verbrechen begangen hat – er selbst am wenigsten«, sagte Catherine. »Aber seine Verdienste wiegen schwerer. In nur zwei Jahren hat er uns zu neuer Stärke geführt und uns ermöglicht, die Brücke zu bauen. Wir alle verdanken ihm viel. Das sollten vor allem jene bedenken, die ihn jetzt davonjagen wollen.«
»Was er in der Vergangenheit geleistet hat oder nicht, spielt keine Rolle«, blaffte Géroux. »Hier geht es um das Ansehen der Gilde, um ihre Zukunft. Ich sage: Stimmen wir ab!«
»So einfach ist das nicht«, meinte Duval. »Die Statuten sind in diesem Fall nicht eindeutig …«
Kaum jemand hörte ihm zu, denn Gaspards Leute und die Ministerialen übertönten ihn, als sie lautstark ihre Zustimmung zu Géroux’ Vorschlag bekundeten.
»Wer ist dafür, dass Herr de Fleury Mitglied der Gilde bleiben und seine Verfehlungen mit einer Geldstrafe sühnen darf?«, rief der Münzmeister in die Runde.
Gerade einmal Catherine Partenay, Charles Duval, Pierre Melville und Isoré Le Roux hoben die Hände.
»Wer ist dafür, dass er mit sofortiger Wirkung das Amt des Gildemeisters niederlegt und unsere Gemeinschaft verlässt?«
Es meldeten sich Gaspard, Chastain, Pérouse, Vanchelle, Baudouin, Géroux und die anderen Ministerialen, und zu guter Letzt auch Baffour, d’Alsace und Milon Poupart.
»Damit ist es entschieden«, erklärte Géroux und machte sich nicht die Mühe, seine Zufriedenheit zu verbergen. »Herr de Fleury ist von nun an kein Mitglied unserer Gilde mehr.«
Michel blickte Gaspard, dessen Freunde sowie Baffour, d’Alsace und Milon Poupart an. »Dank Eurer Hilfe haben Bischof Ulman und Aristide de Guillory erreicht, was sie wollten. Ich hoffe, Ihr seid stolz auf Euch.«
»Es war eine rechtmäßige Abstimmung«, entgegnete Gaspard. »Jetzt verschwindet aus unserer Gildehalle. Ihr habt hier nichts mehr zu suchen.«
Langsam schob Michel seinen Stuhl zurück und stand auf. »Das ist der Anfang vom Ende der Gilde. Ich werde für Euch beten.« Er schritt aus dem Saal.
Draußen auf der Treppe bemerkte er, dass jemand ihm gefolgt war. Catherine.
»Ich wünschte … ich könnte …«, stammelte sie.
»Es ist gut.« Er nahm sie in die Arme. »Es ist gut.«
Kaum hatte de Fleury die Gildehalle verlassen, erhob sich Jaufré Géroux. Bischof Ulman hatte ihm klare Anweisungen erteilt: Gleich nach de Fleurys Ausschluss aus der Gilde solle er versuchen, die Führung über die Schwurgemeinschaft an sich zu bringen, damit de Fleurys Anhänger keine Gelegenheit bekämen, sich neu zu formieren. Gelingt Euch das nicht, hatte Ulman gesagt, stiftet Unfrieden, so viel Ihr könnt.
»Nun, da wir keinen Meister mehr haben«, übertönte er das Stimmengewirr, »wäre es am Vernünftigsten, dass bis auf Weiteres der älteste und erfahrenste Schwurbruder
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