Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
schweigsam«, sagte der Herzog. »Erschreckt Euch der Gedanke an eine Hochzeit?«
»Das hängt ganz von der Braut ab«, erwiderte Aristide dünn lächelnd. »An wen habt Ihr gedacht?«
»Wie Ihr wisst, hat der Allmächtige mein Weib und mich nicht mit Kindern gesegnet. Glücklicherweise nennt mein Bruder Ferry de Bitche gleich dreizehn Nachkommen sein eigen. Ich würde es begrüßen, wenn Ihr eine seiner Töchter heiratet, die siebzehnjährige Yolande. Sie ist ein bezauberndes Mädchen, hübsch, zurückhaltend und überaus sittsam.«
Aristide hatte den Namen schon einmal gehört. Yolande war das elfte oder zwölfte Kind Ferrys – ein unbedeutendes Edelfräulein, das obendrein den Ruf genoss, so gläubig zu sein, dass in ihrer Gegenwart sogar der Papst ein schlechtes Gewissen bekäme. Seine Begeisterung hielt sich in Grenzen.
»Möchtet Ihr sie kennenlernen?«, fragte Simon, der Aristides Zweifel sehr wohl spürte.
»Ist sie denn hier?«
»Sie ist heute Morgen mit zweien ihrer Brüder in Metz eingetroffen.«
»Es wäre mir ein Vergnügen.«
Simon befahl dem Diener, Yolande zu holen. Während sie warteten, nippte Aristide lustlos an seinem Wein. Bei dem Gedanken, den Rest seines Lebens mit einer grauen Maus zu verbringen, die nichts von der Liebe verstand und von morgens bis abends betete, wäre er am liebsten davongelaufen. Allein die Aussicht auf das Amt des Marschalls hielt ihn davon ab, Simons Angebot höflich, aber bestimmt auszuschlagen.
Die hintere Tür knarrte, Yolande trat ein und machte einen Knicks. Tugendhaft senkte sie den Blick.
Aristide konnte nicht anders, als sie anzustarren. Yolande war groß und schlank von Gestalt, das dunkelblonde Haar fiel ihr bis auf das wohlgeformte Gesäß, ihre üppigen Brüste wurden kaum von ihrem Mieder im Zaum gehalten. Ihre Gesichtszüge wirkten leicht exotisch, als flösse in ihren Adern ein Tropfen Maurenblut. Zweifellos war sie die schönste Frau, die er je gesehen hatte.
»Ich dachte mir, dass Ihr Gefallen an ihr findet«, bemerkte Simon.
Das war gewaltig untertrieben. Der Anblick dieses Mädchens weckte in Aristide das Verlangen, ihr die Kleider vom Leib zu reißen und sie hier und jetzt zu nehmen – und bei Gott, wäre Simon nicht da gewesen, hätte er es getan.
»Sie ist in der Tat entzückend«, meinte er, und seine Stimme klang rau. Yolande schenkte ihm ein scheues Lächeln.
»Also werden wir handelseinig? Ihr nehmt Yolande zur Frau, und ich ernenne Euch zu meinem Marschall?«
»So soll es sein.«
»Ausgezeichnet.« Herzog Simon Châtenois lächelte schmallippig. »Mein Bruder möchte, dass die Hochzeit im März stattfindet – ich hoffe, Ihr könnt Euch so lange gedulden.«
Dezember 1191 bis März 1192
V ARENNES -S AINT -J ACQUES
M ichel versank knöcheltief im Schnee, als er vom Wagen sprang. Vor zwei Tagen hatte es angefangen zu schneien und seitdem nicht wieder aufgehört. Dicke Flocken rieselten vom Himmel und sanken auf die Dächer, in die Gassen.
Er ging zur Wagenpritsche und half Jean, die Säcke abzuladen. Auf ihrer letzten Handelsreise des Jahres waren sie in Verdun gewesen, jenem aufstrebenden Handelsknoten im Osten Oberlothringens, und hatten große Mengen gezuckerte Mandeln und andere Süßspeisen eingekauft, für die die Stadt an der Maas so berühmt war. »Bringt die Waren in den Keller«, bat er seine Knechte, die gerade aus dem Haus kamen.
»Da unten ist kein Platz mehr«, sagte Yves. »Alles vollgestopft mit Kisten, Fässern und Gerümpel, bis zur Decke.«
»Dann eben in den Eingangsraum.«
Wir brauchen dringend ein größeres Haus, dachte Michel, als die beiden Männer die Säcke wegtrugen. Doch wie die Dinge standen, konnten sie sich ein geräumigeres Anwesen frühestens in zwei Jahren leisten, und auch das nur, wenn die Geschäfte weiter so gut liefen wie in den vergangenen Monaten.
Jean und er hatten seit dem Sommer hart daran gearbeitet, sich eine neue Existenz als Kaufleute aufzubauen. Sie hatten mehrmals die Champagne-Messen besucht und die Waren von dort auf den Märkten von Varennes, Metz und Épinal feilgeboten. Außerdem hatten sie die Geschäftsbeziehung mit Nicolas de Bézenne aufgefrischt und belieferten das Rittergut wieder regelmäßig mit Salz und anderen Gütern des täglichen Bedarfs. Ihre Mühen hatten sich ausgezahlt, und die Gewinne sprudelten nur so.
Allerdings hatte der Erfolg seinen Preis: Sie beide waren im letzten halben Jahr beinahe ununterbrochen auf Reisen gewesen. Michel sah Isabelle und
Weitere Kostenlose Bücher