Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Emporkömmlinge den Spaß an ihrem Geschäft verlieren. Ich will, dass sie noch vor dem Sommer ruiniert sind. Aber geh unauffällig vor.«
»Gewiss«, nickte Berengar.
»Wenn Ihr die Geschäfte eines Gildenmitgliedes behindert, macht Ihr Euch die gesamte Gilde zum Feind«, gab Géroux zu bedenken.
»Ihr seid der Vorsteher dieses Haufens«, entgegnete Aristide. »Sorgt dafür, dass die Gilde mitspielt. Schafft Ihr das, oder muss ich mich beim Herzog dafür starkmachen, dass ein entschlossenerer Gildemeister eingesetzt wird?«
»Natürlich schaffe ich das«, sagte Géroux kalt.
»Gut. Also, worauf wartet Ihr?« Aristide klatschte zweimal in die Hände. »An die Arbeit, na los!«
Wie Géroux vorhergesagt hatte, traf die Erhöhung der Marktabgaben vor allem die Kleinkrämer, die fliegenden Händler und Schankwirte. Sie handelten mit Waren, die nur geringe Gewinne verhießen, und da das Schöffenkollegium festlegte, was die meisten Lebensmittel kosten durften, konnten sie ihre Verluste nicht durch höhere Preise ausgleichen. Bald schon bangte so mancher Krämer und Stadtbauer um seine Existenz.
Auch die Kaufleute stöhnten unter den erhöhten Abgaben, besonders unter den Einfuhrzöllen auf Handelsgüter aus Metz und der Champagne. In der Gilde formierte sich Widerstand, den Géroux jedoch im Keim erstickte. Indem er die Angst vor einem neuen Verbot der Gilde schürte, brachte er Fromony Baffour und Thibaut d’Alsace auf seine Seite, sodass sich eine Mehrheit der Schwurbrüder dagegen aussprach, etwas gegen die hohen Gebühren zu unternehmen.
Obwohl sich der Frühling von seiner besten Seite zeigte, war die Stimmung in der Stadt gedrückt. Die Einzigen, die nicht darunter litten, waren Jean und Adèle. Seit ihrer Hochzeit turtelten sie von früh bis spät, sehr zu Michels Verdruss. Als sie sich wieder einmal lautstark in ihrer Kammer liebten, während er in der Stube Geld zählte, platzte ihm der Kragen. Er sprang auf und hämmerte mit der Faust gegen die Wand.
»Geht es etwas leiser? Einige von uns versuchen zu arbeiten!«
Er hörte Adèle kichern. Kurz darauf begann das Stöhnen von Neuem. Fluchend raffte er seine Aufzeichnungen zusammen und setzte sich in den Eingangsraum.
Nach einer halben Stunde kam Jean zu ihm.
»Na, fertig für heute?«, fragte Michel. »Oder legt ihr nur eine Pause vor der nächsten Runde ein?«
Sein Bruder setzte sich ihm gegenüber auf eine Kiste. »Warum neidest du uns unser Glück?«
»Ich neide euch gar nichts. Ich habe einfach genug von eurer zur Schau getragenen Wollust.«
»Bist du deshalb ständig übler Laune?«
»Wir haben viel Arbeit, falls es dir noch nicht aufgefallen ist. Nächste Woche reisen wir nach Speyer, aber ich darf alles allein machen, weil der Herr Besseres zu tun hat.«
Jean schaute ihn lange an. »Es ist Isabelle, richtig?«
»Was hat Isabelle damit zu tun?«, fragte Michel gereizt.
»Du weißt genau, was ich meine.«
»Sag es mir.«
»Adèle und ich haben, was ihr euch ersehnt, aber niemals bekommen werdet. Das schmerzt dich – ich verstehe das. Aber das gibt dir noch lange nicht das Recht, so mit mir zu reden.«
»Dass es nicht leicht für uns ist, weiß ich. Das brauchst du mir nicht zu sagen«, gab Michel zurück. »Aber unsere Liebe ist stark. Sie wird das überstehen. Eines Tages werden wir zusammen sein.«
»Und wie soll das deiner Meinung nach geschehen?«
»Ich weiß es nicht. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf.«
»Vielleicht solltest du das.«
»Was redest du da?«
»Mach die Augen auf, Bruder. Isabelle ist fort. Sie lebt in Deutschland, als die Frau eines anderen. Sie wird niemals dir gehören. Wenn ich dir einen Rat geben darf: Vergiss sie«, sagte Jean. »Schlag sie dir aus dem Kopf und such dir eine andere. Herrgott, Michel, in Varennes gibt es genug schöne Frauen. Gründe eine Familie, bevor es zu spät ist und du ein verbitterter alter Mann bist.«
»Ich kann sie nicht vergessen.«
Jean seufzte. »Wie du willst. Aber dann lass wenigstens Adèle und mich in Frieden.« Er stand auf und ging nach oben.
Als die Tür ins Schloss fiel, griff Michel nach dem Gänsekiel, doch vor Wut zitterte seine Hand so sehr, dass er die Tinte umstieß. Fluchend zerknüllte er das verschmierte Pergament und warf es zu Boden.
Er ging zu seiner Kammer, wusch sich die Hände und betrachtete sein Spiegelbild im Waschzuber.
Ich verändere mich, dachte er. Und nicht zum Guten.
Jean gab dem Wirt ein Zeichen, woraufhin der bärtige Mann zu ihnen
Weitere Kostenlose Bücher