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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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erst einmal deine Mutter begrüßen.« Michel setzte Rémy auf seine Schultern. Der Junge hielt sich an seinem Kopf fest und tat so, als wäre er ein Ritter und Michel sein Streitross.
    Isabelle hob ihren Kittel, als sie über den Bach stieg. Sie umarmten einander, Michel ließ Rémy herunter, und sie setzten sich auf die Bank.
    »Wie lange kannst du bleiben?«, fragte Isabelle.
    »Drei, vier Tage, wenn ihr es einrichten könnt.«
    »Schön. Das wird Rémy freuen.«
    »Ich habe gehört, im Dorf soll es eine neue Herberge geben.«
    »Sie ist nicht in Altrip, sondern eine halbe Wegstunde weiter nördlich. Wenn du dem Fluss folgst, kannst du sie nicht verfehlen.«
    Michel beschloss, später dort sein Glück zu versuchen. Bisher hatte er immer in Muthach übernachtet, aber das bedeutete jedes Mal einen Ritt von insgesamt drei Stunden hin und zurück. Wertvolle Zeit, die er nicht mit Rémy verbringen konnte.
    Während sie plauderten, tobte ihr Sohn über die Wiese und focht gegen imaginäre Ungeheuer und Feinde.
    »Er entwickelt sich prächtig.«
    »Ja.« Isabelle lächelte. »Lesen und schreiben kann er auch immer besser.«
    Vor etwa zwei Jahren hatte sie begonnen, ihn zu unterweisen. Zu Michels Freude besaß er eine natürliche Begabung für diese Künste und lernte mit Begeisterung.
    »Wir sollten ihm bald die Wahrheit sagen. Er ist allmählich alt genug.« Es war sein sehnlichster Wunsch, dass Rémy endlich erfuhr, wer wirklich sein Vater war. Er hatte genug von »Onkel Michel« und der ganzen Heimlichtuerei.
    »Er ist erst sieben«, sagte Isabelle.
    »Fast acht.«
    »Ich weiß nicht, Michel. Lass uns lieber noch warten.«
    »Du unterschätzt ihn. Er ist klüger als andere Kinder seines Alters.«
    »Trotzdem. Es würde ihn nur verwirren. Es ist doch früh genug, wenn wir es ihm in zwei oder drei Jahren sagen.«
    »Ich soll warten, bis er elf ist?«, erwiderte Michel. »Er ist mein Sohn, und ich möchte, dass er mich als seinen Vater ansieht. Ich verstehe nicht, was daran falsch sein soll.«
    »Was hat er davon, wenn er es weiß? Du kannst trotzdem nicht für ihn da sein.«
    »Natürlich kann ich das.«
    »An zehn, fünfzehn Tagen im Jahr. Die übrige Zeit bist du weit weg.«
    »Andere Kaufmannssöhne sehen ihre Väter auch nicht viel öfter. Ich habe meinen manchmal Monate nicht gesehen, bevor ich alt genug war, ihn zu begleiten.«
    »Das ist etwas anderes, und du weißt es.«
    »Isabelle«, begann er verärgert, doch sie ließ ihn nicht zu Wort kommen.
    »Versetz dich doch einmal in seine Lage. All die Jahre hat er geglaubt, Thomasîn sei sein Vater. Dann kommen wir und sagen ihm, in Wirklichkeit ist alles ganz anders. Und wenn wir davon anfangen, müssen wir ihm auch erklären, warum wir nicht verheiratet sind und was vor seiner Geburt in Varennes geschehen ist. Das ist ganz schön viel, selbst für einen älteren Jungen. Ein Achtjähriger kommt damit nicht zurecht. Ich verstehe ja, dass du es ihm endlich sagen willst«, fügte sie sanfter hinzu. »Aber was gut für dich ist, ist nicht zwangsläufig gut für Rémy.«
    Michel schwieg. Plötzlich kam er sich selbstsüchtig und engherzig vor. »Der Junge ist mein Leben. Ich würde niemals etwas tun, was ihm schaden könnte.«
    »Das weiß ich doch.«
    »Also gut«, sagte er widerwillig. »Wir warten noch eine Weile. In zwei, drei Jahren sehen wir weiter.«
    Isabelle lächelte. »So ist es besser, glaub mir.«
    Rémy lief zu ihnen. »Onkel Michel! Sieh mal, was ich gefunden habe. Was ist das?«
    Michel untersuchte den rostigen Gegenstand. »Eine alte Pfeilspitze.«
    »Von den Römern?«
    »Wer weiß? Willst du jetzt auf Artos reiten?«
    »Ja!«, jubelte der Junge.
    Michel band sein Pferd los, setzte Rémy in den Sattel und führte Artos am Zügel im Kreis. Er hatte keine Angst, dass Rémy abgeworfen werden könnte. Der Zelter besaß ein sanftes Gemüt und hatte Geduld mit Kindern.
    Isabelle trat zu ihnen. Ein kühler Wind war aufgekommen, und sie rieb sich die Arme. »Triffst du dich noch mit Sybille Aspremont?«
    »Gelegentlich«, antwortete er knapp.
    »Hast du schon um ihre Hand angehalten?«
    Er lächelte. »Fängst du schon wieder damit an?«
    »Du kennst meine Meinung. Du solltest heiraten. Du brauchst endlich eine eigene Familie.«
    »Sybille ist dafür kaum die richtige Frau. Sie würde mich auslachen, wenn ich ihr damit käme.«
    »Das weißt du doch erst, wenn du es versucht hast.«
    »Sie hat drei Kinder in die Welt gesetzt und vom Eheleben ein für alle Mal

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