Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Ochsen ausgespannt und in den Stall gebracht hatten, erkundigte sich Michel, ob während seiner Abwesenheit etwas vorgefallen war.
»Nichts, Herr«, antwortete Yves. »De Guillorys Leute haben sich ruhig verhalten.«
»Lüg mich nicht an, Yves. Ich sehe doch, dass du einen Bluterguss an der Schulter hast. Mit wem hast du dich geschlagen?«
»Wir wissen nicht genau, wer die Männer waren«, antwortete Louis an Yves’ Stelle. »Sie trugen Umhänge und hatten die Gesichter verhüllt. Wahrscheinlich Soldaten, ein knappes Dutzend. Sie griffen nachts an und versuchten, ins Haus einzudringen. Zum Glück hat einer der Söldner Wache gehalten. Er warnte uns, und wir konnten die Kerle vertreiben, bevor sie ernstlich Schaden anrichten konnten. Sie brachen die Stalltür auf, das ist alles. Yves und ich haben sie wieder gerichtet.«
»Wollten sie Feuer legen?«
»Sie warfen Fackeln in den Gemeinschaftssaal«, sagte Yves. »Wir konnten sie rechtzeitig löschen.«
Michel spürte, dass seine Knechte ihm nicht die ganze Wahrheit erzählten. »Und das war alles? Raus mit der Sprache, ich erfahre es ohnehin«, befahl er.
»Sie sind noch zweimal gekommen«, erklärte Louis widerstrebend. »Aber beim zweiten und dritten Mal hatten wir Hilfe. Drei Eurer Schwurbrüder haben ihre Knechte hergeschickt, der Gildemeister, Le Roux und Deforest.«
»Wir haben ihnen einen schönen Empfang bereitet«, sagte Yves grimmig. »Haben sie mit Steinen und heißem Wasser eingedeckt, als sie auftauchten.«
»Und Jauche aus der Sickergrube«, fügte Louis grinsend hinzu.
»Jedenfalls haben sie sich blutige Nasen geholt und sind gerannt wie die Karnickel. Ihr hättet sie sehen sollen, Herr.«
»Wann war das?«, wollte Michel wissen. »Der dritte Angriff, meine ich.«
»Vorige Woche.«
»Und seitdem sind sie nicht wiedergekommen?«
»Ich schätze, sie haben aufgegeben.«
»Was ist mit meinen anderen Besitztümern?«
»Louis und ich reiten zweimal am Tag hin und sehen nach dem Rechten. Dort ist alles in Ordnung.«
Michel nickte. Vermutlich wusste de Guillory nach wie vor nichts von seinem neuen Grundbesitz. »Das war sehr mutig von euch. Ihr habt euch eine Belohnung verdient.« Er zückte seine Börse und zählte Yves und Louis jeweils fünf Sous in die Hand – fast den dreifachen Wochenlohn eines Knechts.
»Habt Dank, Herr.« Yves grinste breit. »Aber das wäre nicht nötig gewesen. Dass wir diese Bastarde verprügeln durften, war Lohn genug.«
Später zog sich Michel in seine Schreibstube zurück und vermerkte die jüngsten Warenein- und -ausgänge im Hauptbuch. Der Gänsekiel flog nur so über das Pergament, denn er war zuversichtlich wie lange nicht. Gewiss, der Kampf war noch nicht ausgestanden – de Guillory war wahrlich kein Mann, der schnell aufgab. Die letzten Wochen jedoch hatten gezeigt, dass die Gilde stark war, wenn sie zusammenstand. Sie mussten ihren Widerstand nur lange genug aufrechterhalten, bis de Guillory die Lust an diesem Kräftemessen verlor und aufgab.
Jetzt wird sich zeigen, wer den längeren Atem hat, dachte Michel und blinzelte in die Maisonne, die durch das schmale Fenster hereinschien.
Aristide de Guillory wandte dem Fenster den Rücken zu, als ihm die Maisonne in den Augen brannte. Gestern Nacht hatte er zu viel getrunken, und helles Licht fachte sofort den pochenden Schmerz hinter seinen Schläfen an.
»Was soll das heißen, die Torwächter konnten nichts tun?«, fuhr er Berengar an. »Es ist ihre verdammte Pflicht, den Zoll einzuziehen. Mit Waffengewalt, wenn es sein muss!«
»Sie waren nur zu zweit – gegen zwanzig.«
»Es ist das Gesetz!«
Der Sarjant schwieg.
Aristide biss die Zähne zusammen und schritt im Saal umher. Die frischen Binsen knirschten unter seinen Stiefelsohlen. »De Fleury hat in Provins gutes Geld verdient, nehme ich an.«
»Schwer zu sagen. Die Gilde deckt seine Geschäfte.«
»Verschwinde«, sagte Aristide. »Ich muss nachdenken.«
Als Berengar gegangen war, setzte er sich an den Tisch und aß von dem Brot und dem kalten Braten, der noch von gestern übrig war. Er brachte kaum einen Bissen herunter. Was war nur los mit ihm? Früher hatte er drei Tage lang getrunken und sich einen schlecht gefühlt – heute trank er einen Tag lang und litt drei darunter. Er schob die Platte von sich und löschte seinen brennenden Durst mit einem Krug Brunnenwasser. Wie es schien, waren ihm die Hände gebunden. Nichts, was er in den letzten Wochen unternommen hatte, hatte etwas gebracht. Die
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