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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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sie kein betrügerischer Haderlump aus der Stadt war. »Hast du Geld?«
    Sie nickte.
    »Wie kommt’s, dass Ottos Mordbrenner es euch nicht weggenommen haben?«
    »Es war hinter dem Haus vergraben. Außerdem wollten sie nur Vorräte.«
    »Und eure beste Milchkuh.«
    »Ja.«
    »Eine Schande ist das. War ein schönes Tier. Hab Thomasîn immer darum beneidet. Wie habt ihr sie gleich genannt?«
    »Krimhilde.«
    Anselm verschränkte die Arme vor der Brust und bog die Schultern nach hinten, damit sie sah, was für ein stattlicher Kerl er war. Wie viele Männer Altrips ließ auch er sich keine Gelegenheit zu einem Plausch mit ihr entgehen. Die meisten Frauen des Dorfes waren schon mit dreißig verhärmt und grau, und eine Schönheit wie Isabelle bekamen sie nur höchst selten zu Gesicht. »Das Kalb soll sie ersetzen? Wird aber noch gut anderthalb Jahre dauern, bis es das erste Mal kalben und Milch geben wird.«
    »Eine ausgewachsene Milchkuh können wir uns aber nicht leisten.«
    »Wohl wahr. Es ist billiger, ein Kalb von Hand aufzuziehen, bis es so weit ist. Zumal mit so fetten Weiden, wie dein Mann sie besitzt. Na, dann wollen wir uns das Tier mal anschauen.«
    Sie betraten den Stall, der in guten Zeiten Platz für zwanzig Rinder bot. Jetzt waren nur fünfzehn hier. Drei hatten ihm Ottos Soldaten genommen, zwei hatte er schlachten müssen, um seine Familie durch den Winter zu bringen. Wie alle Bewohner der Vogtei hatte der reiche Bauer bei dem Raubzug einen großen Teil seiner Vorräte eingebüßt.
    »Sie spüren, dass es wärmer wird, und werden langsam ungeduldig«, sagte Anselm, als mehrere Rinder zur Begrüßung blökten. »Wenn das Wetter besser ist, treiben wir sie hinaus auf die Allmende. Das da ist es.«
    Das Kalb war wie seine Mutter und der Rest des Viehs abgemagert vom Winter und wirkte schwach. Als Isabelle es jedoch zwischen den Ohren kraulte, konnte sie spüren, dass es gesund war. Ein paar Wochen gutes Futter, und es würde rasch zu Kräften kommen und wachsen. Das Kalb fasste sofort Vertrauen zu ihr und rieb seine Schnauze an ihrem Arm.
    »Wie viel willst du dafür haben?«
    »Vier Schilling.«
    »Dafür bekomme ich ein ausgewachsenes Schaf. Ich gebe dir dreieinhalb.«
    »Jetzt fängt das Weib auch noch an zu handeln«, knurrte Anselm.
    »Dreieinhalb, oder ich gehe nach Speyer. Dort bekomm ich’s für drei.« Das war glatt gelogen, aber Anselm, der schon Jahre nicht mehr in Speyer gewesen war, konnte das nicht wissen. In diesen harten Zeiten war sich jeder selbst der Nächste.
    Sie feilschten eine Weile und einigten sich schließlich auf drei Schilling und acht Pfennige. Als Isabelle ihm das Geld aushändigen wollte, hörte sie ein Knarren. Die Verbindungstür zur Scheune hatte sich einen Spalt geöffnet, ein fremder Mann blickte sie an und schloss die Tür sogleich wieder.
    »Wer ist das?«
    »Niemand«, sagte Anselm. »Du hast nichts gesehen, hörst du? Zu keinem ein Wort davon. Jetzt nimm das Kalb und geh. Dein Mann wartet sicher schon auf dich.«
    Der Bauer scheuchte sie regelrecht aus dem Stall und zog die Tür hinter ihr zu. Verwirrt führte sie das Kalb am Strick über den Dorfplatz. Im Stall war es dunkel gewesen, und sie hatte den Fremden in der Scheune nicht richtig gesehen. Sie war jedoch sicher, dass er einen roten Waffenrock getragen hatte. Und was war das Weiße an seinem Arm gewesen? Ein Wundverband?
    Wieso versteckte Anselm einen Soldaten oder Ritter in seinem Haus? Nun, es ging sie nichts an, was der Bauer heimlich trieb. Sie hatte wahrlich genug eigene Sorgen.
    »Wir sollten uns überlegen, wie wir dich nennen«, sagte sie zu ihrem neuen Kalb. Sie sprach Französisch, wie sie es immer tat, wenn sie mit ihren Tieren redete. »Es muss ein großer Name sein. Ein Name wie Krimhilde. Immerhin trittst du in große Fußstapfen. Brünhild? Nein, das passt nicht. Desiderata! Ja, das ist gut. Was meinst du? Gefällt er dir?«
    Falls das Kalb Einwände gegen den Namen hatte, so zeigte es sie nicht.
    Isabelle ging an der Pfarrkirche vorbei und erwiderte die Grüße der Dörfler, während sie der schlammigen Straße zur Allmende folgte. Altrip war glimpflich davongekommen, als Ottos Männer es geplündert hatten: Die Soldaten hatten keine Hütten niedergebrannt, die Bewohner geschont und ihnen einen Großteil ihres Viehs gelassen. Doch wer genau hinsah, entdeckte überall die Folgen des Raubzuges. Die Menschen waren noch magerer als sonst; wegen der schlechten Ernährung der letzten Monate war ihr

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