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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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gehüllt saßen sie an der Öffnung neben dem Lastkran und betrachteten die Dächer, die sich im Sternenlicht vor ihnen ausbreiteten. Wolken verdeckten den Mond, abermals schlugen die Glocken, und bald darauf kroch das erste Licht des Tages über die Hügel. Michel griff in sein Wams und holte Isabelles Morgengabe hervor. Es war ein Ring, ein vollkommener Reif aus Gold, und er steckte ihn ihr an den Finger.
    »Ich habe noch etwas für dich.« Er öffnete die linke Hand. Darauf lag das kleine silberne Kreuz, das er ihr vor so vielen Jahren aus Metz mitgebracht hatte.
    »Du hast es noch«, sagte sie lächelnd.
    »Ich habe es all die Jahre aufgehoben. Ich möchte, dass du es trägst. Es soll uns daran erinnern, was wir durchgemacht haben, damit wir immer dankbar sind für unser gemeinsames Glück.«
    Er nahm das Lederband und legte es ihr um.
    Hand in Hand saßen sie da, während im Osten der neue Tag anbrach.

Mai und Juni 1203

    V ARENNES -S AINT -J ACQUES
    K isten, Fässer und Tuchballen stapelten sich auf dem Ochsenwagen. Yves stand daneben und hielt die Saumpferde an den Zügeln. Die Gildensöldner stützten sich auf ihre Lanzen. Alles war bereit für den Aufbruch zur Messe. Wer fehlte, war Michels Sohn.
    »Rémy! Wir müssen los«, rief Michel in den Eingangsraum. Keine Antwort. »Wo steckt der Junge schon wieder?«
    »Hast du in seiner Kammer nachgesehen?«, fragte Isabelle.
    »Er weiß doch, dass wir es eilig haben.« Michel stampfte die Treppen hinauf und riss die Tür zu Rémys Zimmer auf. Dort war er auch nicht. Michel unterdrückte einen Fluch. Sie hätten längst auf dem Weg nach Provins sein sollen, denn in diesen Zeiten, wenn Gott und die Welt auf den Champagne-Märkten Geschäfte machte, war Pünktlichkeit wichtiger denn je. Drei Tage hatte er bereits verloren, weil einige Waren nicht rechtzeitig eingetroffen waren. Und nun das.
    Er trat zum Fenster und rief noch einmal nach seinem Sohn – vielleicht trieb Rémy sich im Hof oder dem Lagerschuppen herum. Wieder kam keine Antwort.
    Beim Hinausgehen fiel sein Blick auf die Pergamente, die den Tisch bedeckten. Stirnrunzelnd nahm er einen Bogen in die Hand. Rémy hatte eine Seite aus einem Buch kopiert, aus einer Sammlung von Heiligengeschichten, die aufgeschlagen daneben lag. Die Seite war fast fertig. Rémy hatte sie liniert und sorgfältig den Text übertragen, kunstvolle Miniaturen zierten die Ränder, winzige Bilder von Menschen, Tieren und Chimären. Es fehlte nur noch die Kapitelüberschrift. In der rechten unteren Ecke hatte Rémy sein Zeichen angebracht, ein schwungvolles R, um das sich grüne Schnörkel rankten. Er versah jede seiner Arbeiten mit diesem Kürzel.
    Jede freie Stunde verbrachte der Junge hier oben und ging seiner Leidenschaft nach, und widerwillig musste Michel zugeben, dass sich das Ergebnis sehen lassen konnte. Rémys Kopie stand dem Original in nichts nach, und es war ihm sogar gelungen, den Miniaturen eine persönliche Note zu verleihen. Michel wünschte, sein Sohn würde mit dem gleichen Eifer lernen, wie man Handel trieb und Geschäfte machte. Leider ließ er für das kaufmännische Handwerk weiterhin jegliche Begeisterung vermissen, wie er heute wieder eindrücklich bewies.
    »Ich komme nicht mit.«
    Michel fuhr herum. Rémy stand in der Tür.
    »Wo warst du? Ich suche dich schon die ganze …« Michel stockte. »Was soll das heißen, du kommst nicht mit? Das ist die Messe in Provins. Einer der größten Märkte der Christenheit. Dort lernst du mehr, als ich dir in einem halben Jahr beibringen kann.«
    »Ich will aber kein Kaufmann sein. Ich werde Buchmaler. Wie oft soll ich das noch sagen?«
    »Zum letzten Mal: Schlag dir diese lächerliche Idee aus dem Kopf. Du bist kein Kind mehr, das tun kann, worauf es gerade Lust hat. Wenn ich sage, dass du Kaufmann wirst, dann wirst du Kaufmann, verstanden? Jetzt pack deine Sachen, oder ich mach dir Beine.«
    Rémy schob sich an ihm vorbei, setzte sich an den Tisch und griff nach dem Stift. Seelenruhig hockte er da und linierte einen Bogen.
    »Dieser Unsinn hört jetzt auf.« Michel riss ihm das Pergament weg und raffte auch die anderen Bögen zusammen.
    »Meine Sachen!«, rief Rémy. »Gib sie her!«
    Er hatte es im Guten versucht. Drei Jahre lang hatte er Rémys Launen erduldet, hatte Verständnis für seine Lage aufgebracht und ihm Liebe geschenkt, in der Hoffnung, dass ihn der Junge eines Tages als Vater akzeptierte. Und was war der Dank? Michel hatte Rémys Sturheit, seine ständige

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