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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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hatte gesehen, dass die Männer bereits große Mengen an Schutt weggeschafft hatten. Der Tunnel schien fast fertig zu sein, obwohl er den Verschlag Tag und Nacht beschießen ließ. Vermutlich war es nur noch eine Frage von Stunden, bis Ferrys Mineure den Gang mit Reisig und ölgetränkten Lumpen füllen und Feuer legen würden. Die Stützbalken würden verbrennen, die Mauer einstürzen, und Ferrys Streitmacht würde die Burg erstürmen.
    Jetzt wäre ein guter Moment für dich, Otto.
    Aristide rieb sich die Augen. Wenn er nur nicht so müde wäre … Er konnte kaum noch klar denken. »Sag den Männern, dass wir uns in die Kernburg zurückziehen.«
    »Wir geben die Vorburg auf?«
    »Wir haben keine Wahl. Wir können sie nicht halten.«
    Der Waffenknecht blickte ihn mit trüben Augen an. Der Mann war genauso müde wie er. Sie alle waren zu Tode erschöpft. »Was, wenn sie auch die innere Mauer unterminieren?«
    »Darum kümmern wir uns, wenn es so weit ist. Schafft auch die Vorräte und das restliche Pech in die Kernburg.«
    Aristide verließ sich darauf, dass der Mann seinen Befehl weitergab, und schlurfte zum Palas. In den nächsten Stunden würde nicht viel geschehen. Er beschloss daher, eine Mütze Schlaf zu nehmen, bevor die Bliden wieder zu schießen begannen und Ferrys Männer das innere Tor angriffen.
    Benommen stakste er durch den Saal, die Treppe hinauf. Der Palas hatte schwer gelitten; besonders in den oberen Stockwerken war die Zerstörung beträchtlich. Felsbrocken hatten das Dach beschädigt und Löcher in die äußere Mauer geschlagen. Yolandes ehemalige Kammer war ein Trümmerfeld: Der Schleuderstein war durch die Balkendecke gebrochen und hatte das Bett zerschmettert. Ein Jammer, dachte er, dass sie nicht drinlag.
    Seine Gemächer waren unversehrt, denn sie befanden sich in der Südwestecke des Palas, einem toten Winkel für die Bliden. Aristide zog Helm, Stiefel, Gambeson und Panzerhemd aus und ließ sich aufs Bett fallen. Er schlief, bevor sein Gesicht das Federkissen berührte.
    Sein Schlaf war schwarz und tief, aber nicht gänzlich frei von Träumen. Gestalten huschten an ihm vorbei, berührten ihn mit klammen Händen, raunten ihm Geheimnisse zu. Einmal war ihm, als höre er Velins Stimme und als sehe er ihr Gesicht, aber dann umschloss ihn wieder undurchdringliche Finsternis.
    Das Zuschlagen einer Tür weckte ihn. Er brauchte lange, bis er zu sich kam. Ein seltsames Licht schien durch das Fenster. Die Sonne ging gerade unter, und der Himmel stand in Flammen. Ächzend setzte er sich auf und schlüpfte in die Stiefel. Er hatte gewiss fünf, sechs Stunden geschlafen, doch er war so müde wie zuvor.
    Er verließ die Kammer und rief nach dem Diener.
    Keine Antwort.
    Der Palas war verlassen. Während er durch Flure und Treppenfluchten streifte, traf er keine Menschenseele. Mit einem engen Gefühl in der Kehle ging er zur Burgkapelle.
    Auch Pater Porthos war fort.
    Er trat ins Freie. Stille umfing ihn. In den Werkstätten und Gesindeunterkünften, auf dem Hof, den Wehrgängen, den Türmen – niemand. Er war das einzige lebende Wesen in diesem Gemäuer.
    Das Tor stand offen. Aristide biss die Zähne zusammen. Sie hatten sich ergeben, ihn im Stich gelassen. Waren geflohen, um ihr erbärmliches Leben zu retten.
    Er spuckte aus.
    Schatten bewegten sich im Zwielicht des Torhauses. Eine Gestalt schritt über den staubigen Boden, die Hand auf dem Schwertknauf, ein dünnes Lächeln auf den Lippen. Männer schwärmten links und rechts von ihr in den Hof, fünf, zehn, zwei Dutzend, ihre Schwerter und Helme gleißten wie flüssiges Gold.
    »Ergreift ihn«, sagte Ferry.
    Mit dreihundert anderen Männern stand Michel am Rand des Zeltlagers und beobachtete das Tor der Vorburg. Die Bliden warfen lange Schatten, de Guillorys Männer kauerten mit gesenkten Köpfen auf der Wiese, bewacht von mehreren Armbrustschützen. Ferry hatte ihnen zugesichert, ihr Leben zu schonen. Michel hoffte inständig, dass der Edelmann zu seinem Wort stand.
    Aufgeregte Stimmen drangen aus der Burg. De Guillory schritt über die Zugbrücke, die Hände auf den Rücken gefesselt.
    »Sie haben ihn!«, brüllte jemand.
    Ritter und Kriegsknechte reckten ihre Waffen in die Luft und jubelten.
    Ferry und der Rest seiner Krieger traten aus dem Torhaus. Zwei Männer packten de Guillory an den Armen und führten ihn über die Wiese. Bei den Bliden blieben sie stehen. De Guillory ließ seinen Blick über die Menge schweifen. Als er Michel entdeckte,

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