Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
auf seinem Rechenbrett und begann mit der zeitraubenden Arbeit, sie zu wiegen und ihren Wert zu ermitteln. Fast ein Dutzend verschiedene Pfennig- und Schillingmünzen hatte er aus Troyes mitgebracht, Geldstücke aus Frankreich, England, Flandern und diversen lombardischen Handelsstädten, und alle hatten einen anderen Silbergehalt. Eine Hälfte würde er morgen zum Wechsler bringen und in einheimisches Geld umtauschen; der Rest wanderte in die eisenbeschlagene Truhe neben dem Schreibpult. Wenn er das nächste Mal eine Champagne-Messe oder einen anderen großen Markt mit vielen fremdländischen Kaufleuten besuchte, würde er gewiss Verwendung dafür finden. Auf diese Weise sparte er sich wenigstens einen Teil der horrenden Wechselgebühren.
Alles in allem war er zufrieden mit der Reise. Er hatte gute Geschäfte gemacht, seine Verbindungen nach Burgund und Köln gefestigt und günstig zwei Wagenladungen flandrisches Tuch erworben, das er in Varennes oder Metz verkaufen würde, je nachdem, wo er den besseren Preis bekäme. Mit etwas Glück verdiente er damit genug Geld, um endlich das neue Lagerhaus bauen zu können, das er so dringend brauchte.
Falls mir Martel nicht wieder einen Strich durch die Rechnung macht. Ende des Monats, zu Michaeli, wurden der Kirchenzehnt und die Herdsteuer fällig. Der Schultheiß und seine Decimatoren, die im Auftrag des Bistums die Abgaben eintrieben, knöpften ihm von Jahr zu Jahr mehr ab. Im vergangenen Herbst war es gar so viel gewesen, dass von den Einnahmen der Sankt-Johannes-Messe kaum etwas übrig geblieben war.
Als ob uns die Kirche nicht schon genug ausplündert. Diese elenden Blutsauger! Selbst wenn wir ihnen jeden Monat eine Wagenladung Silber in den Rachen schütteten, wäre es nicht genug.
Tagtäglich rackerte er sich ab, riskierte in der Fremde seine Gesundheit, sein Leben – nur damit ein Haufen unersättlicher Pfaffen und Ministerialen immer fetter wurde. Wenn die zahllosen Abgaben und Zölle wenigstens Varennes und seinen Bewohnern zugutekommen würden, etwa, indem Ulman die Straßen pflastern ließe oder endlich die Stadtmauer erneuerte. Doch nein, das Geld versickerte irgendwo in den Tiefen der Diözese. Gaspard wusste aus zuverlässiger Quelle, dass allein der kurze Besuch des Reichskanzlers im Juni mehr als siebzig Pfund Silber verschlungen hatte. Siebzig Pfund! Und alles nur, weil Ulman sich beim künftigen Erzbischof lieb Kind machen wollte.
Seine verdammte Eitelkeit wird uns noch alle ruinieren.
Müde streckte er die langen Beine aus und nippte an seinem Weinbecher. Heute Morgen erst war er aus Troyes zurückgekommen, und die Reise steckte ihm noch in den Gliedern. Nach dem Besuch einer fernen Messe brauchte er stets mehrere Tage, um sich von den Strapazen zu erholen. Er beschloss daher, die Arbeit für heute gut sein zu lassen.
Als er gerade das Geld wegräumen wollte, hörte er Gesang. Es war Isabelle. Sie saß nebenan in der Stube, legte ihre Kleider zusammen und stimmte eine heitere Weise an. Der Klang ihrer Stimme ließ Gaspard all seinen Ärger vergessen. So glücklich wie heute hatte er sie schon lange nicht mehr erlebt. Schon den ganzen Tag sang und lachte sie, machte Scherze und erzählte beim Essen fröhliche Geschichten. Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. Er liebte seine Schwester über alles. Wenn sie glücklich war, war er es auch.
Nach dem Abendbrot gingen Lutisse und er früh zu Bett. Froh, dass er wohlbehalten zurückgekehrt war, schmiegte sie sich an ihn, und kurz darauf liebten sie sich. So zurückhaltend, wie Lutisse am Tage war, so leidenschaftlich war sie in der Nacht. Als sie zum Höhepunkt kam, krallte sie die Finger in seinen Rücken und schrie derart laut, dass es das ganze Haus hören musste.
Anschließend streichelte sie seine Brust, während sich ihr Atem allmählich beruhigte. »Heute ist ein günstiger Tag«, flüsterte sie. »Vielleicht haben wir endlich Glück.«
Gaspard schwieg. Er wagte kaum noch zu hoffen. Lutisse und er liebten sich beinahe jede Nacht, wenn er zu Hause war, und doch empfing sie kein Kind. Dabei sehnten sie sich schon so lange nach einem Sohn oder einer Tochter. Dass Gott ihnen diesen Wunsch versagte, lag wie ein Schatten über ihrem Leben.
»Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben«, sagte Lutisse und fuhr sanft mit den Fingern über seine Haut. »Eines Tages werden wir ein Kind haben. Da bin ich ganz sicher.«
Gaspard wollte nicht darüber reden – es bedrückte ihn zu sehr. »Was ist mit
Weitere Kostenlose Bücher