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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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sie Gaspard ärgern wollte – und weil sie sich wirklich sehr zu ihm hingezogen fühlte. Heimlich stahlen sie sich davon, und wenig später ritten sie auf seinem Streitross durch die Hügel. Als der Abend kam, saßen sie Hand in Hand am Waldrand und betrachteten den Sonnenuntergang.
    Zwei Wochen lang trafen sie sich jeden Tag, unbemerkt von Gaspard und dem Rest ihrer Familie. War sie in ihn verliebt gewesen? Vielleicht – ein wenig. Es hatte ihr geschmeichelt, wie er sich um ihre Gunst bemühte. Aleaume überschüttete sie mit Komplimenten, pries ihre Schönheit, schwor ihr seine unsterbliche Liebe. Isabelle hatte so etwas nie zuvor erlebt, und bald war sie rettungslos verloren. Hinzu kam der Reiz des Verbotenen. Die Heimlichkeit, die verstohlenen Blicke auf dem Marktplatz, die geflüsterten Liebesschwüre – all das genoss sie in vollen Zügen.
    Stets ritten sie zu einer Waldlichtung weit entfernt von der Stadt und ihren glutheißen Gassen. Dort, zwischen Farnen und uralten Ahornbäumen, verbrachten sie die Sommerabende. Am dritten Tag küssten sie sich. Am siebten Tag wanderten seine Hände über ihren ganzen Körper. Am zehnten Tag schnürte er ihr das Gewand auf und liebkoste ihre Brüste. Am dreizehnten Tag schließlich lagen sie nackt im Gras, und er hauchte ihr ins Ohr: »Gib dich mir hin, Isabelle.«
    Sie gab sich ihm hin, obwohl sie wusste, dass es töricht war – zu stark war ihre Lust, zu drängend ihre Neugier, endlich alles über die körperliche Liebe zu erfahren, von der sie schon so viel gehört hatte. Doch was dann geschah, war weniger leidenschaftlich als ernüchternd. Auf dem Gras unter den Bäumen drang er in sie ein. Ein scharfer Schmerz zuckte durch ihren Unterleib, und während sie mit den Tränen rang, kam er nach wenigen Stößen zum Höhepunkt. »Bitte sei vorsichtig«, flüsterte sie, und im letzten Moment zog er sich aus ihr zurück und ergoss sich auf den Waldboden.
    Anschließend lag er keuchend auf dem Rücken und grinste dümmlich. »Bei Gott, war das gut. Deshalb liebe ich Jungfrauen. Ihr seid so herrlich eng und unschuldig.«
    Sie konnte nicht einmal wütend auf ihn sein. Gewiss, er hatte sie getäuscht und verführt, aber sie hatte sich nur zu gern täuschen und verführen lassen, obwohl sie von Anfang an gewusst hatte, wohin das führen würde. Nun, da ihre Neugier befriedigt war, erkannte sie Aleaume endlich als das, was er wirklich war: ein nicht übermäßig kluger Schlagetot mit einem Hang zur Prahlerei, der nicht viel von Körperpflege hielt. Auf einen Schlag war sie von ihrer Leidenschaft geheilt, weshalb sie nicht sonderlich traurig war, als er am nächsten Morgen Varennes verließ, ohne sich von ihr zu verabschieden.
    So endete der »erste Versuch«, und ein ganzes Jahr lang hatte Isabelle gedacht, sie wäre ein für alle Mal fertig mit der Liebe. Dann aber war Michel in ihr Leben getreten, und seitdem fragte sie sich, wie es wohl wäre, mit ihm auf der Waldlichtung unter den Ahornbäumen im Gras zu liegen. Irgendetwas sagte ihr, dass es nicht so kurz und unerfreulich wie mit Aleaume sein würde.
    Ihr Herz pochte heftig. Daran ist nur Lutisse schuld. Warum muss sie auch immer wieder davon anfangen?
    Sie sprach ein Gebet, doch es half nichts. Als sie wenig später einschlief, träumte sie Dinge, die sich ganz und gar nicht für eine sittsame Tochter aus gutem Hause geziemten.
    Nachdem er Isabelle nach Hause gebracht hatte, zog Michel sich in seine Schreibstube zurück und setzte sich mit einem Becher Wein ans Fenster. Allmählich sank die Dunkelheit herab, vor dem Dom zündete der Nachtwächter die Laterne an und begann seine Runden durch die Gassen.
    Michel hatte einen Entschluss gefasst. Er würde um Isabelles Hand anhalten, sobald Gaspard aus Troyes heimgekehrt war – er konnte nicht länger warten. Vorher aber musste er Gaspard endlich in sein Vorhaben einweihen. Es wäre ehrlos gewesen, ihm seine Absichten weiter zu verheimlichen. Was wäre er für ein Mann, wenn er seinen besten Freund von seinen Plänen ausschloss und gleichzeitig dessen Schwester umwarb?
    Mit diesen Gedanken ging er zu Bett. Und obwohl er glücklich war wie lange nicht, hatte er in jener Nacht düstere Träume, er sah Feuer, huschende Schatten in den Straßen und ein eisenbeschlagenes Rad, das einen Körper auf einem Schafott zerschmetterte.
    Als er jedoch in aller Frühe erwachte, konnte er sich an nichts mehr erinnern.

September 1187

    V ARENNES -S AINT -J ACQUES
    G aspard ordnete die Münzen

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