Das Salz der Mörder
das alles schreibe. Wahrscheinlich
willst Du etwas ganz anderes wissen. Ich sollte lieber aufrichtig sein und Dir
sanft ins Ohr flüstern, dass ich Dich unbeschreiblich liebe und ohne Dich nicht
leben kann. Das klingt abgedroschen und einfach zugleich. Nur wenn es einen
selbst betrifft, empfindet man es anders - das Herz schlägt schneller und vor
verliebter Aufgeregtheit rebelliert manchmal der Magen, sogar in meinem Alter.
Vroni,
Du fehlst mir so sehr. Unaufhörlich denke ich an Dich und versuche mir die Zeit
danach vorzustellen - diese unendliche, gemeinsame Zeit, in der wir bis in alle
Ewigkeit zusammen sein werden.
Seit
vielen Jahren habe ich keinen Liebesbrief mehr geschrieben. Es fällt mir daher
schwer, meine Gefühle in verständliche Worte zu kleiden. Nichtsdestoweniger, es
sind wundervolle Gefühle. Aber ich glaube, ich wiederhole mich – warum auch
nicht. Wir Männer sprechen ja viel zu selten über unsere Gefühle.
Ich
möchte mich jetzt mit Dir unterhalten, mich mit Dir im Wasser wälzen, mit Dir
auf einer grünen Wiese liegen, mit Dir über ein gutes Buch, ein Bild oder einen
Film streiten. Ich will Dich berühren, Deine Gegenwart spüren. Meine Sehnsucht
tut so weh, dass es mich fröstelt. Manchmal könnte ich nachts aufschreien, dann
presse ich meine Hände vor den Mund, um keine Geräusche zu machen – der Kinder
wegen. In ihren Augen sehe ich Dich, und Einsamkeit schmerzt in mir. Das
Schlimmste ist, dass ich nicht weiß, wann Du endlich zu uns kommen wirst. Doch
eines verspreche ich Dir: Wenn wir wieder zusammen sind, werde ich Dich nie
mehr allein lassen - nicht wenn Du achtzig, hundert oder zweihundert Jahre alt
werden solltest. Das schwöre ich Dir. Weshalb lachst Du jetzt? Weißt Du denn
nicht, dass unsere Liebe unsterblich ist?
In
welcher Verfassung Dich diese Zeilen auch immer erreichen mögen, eines sollst
Du wissen - und ich wiederhole mich jetzt schon wieder -, ich liebe Dich so
sehr, ich kann und will ohne Dich nicht leben. Das weißt Du. Allein deinetwegen
wäre ich bereit unseren verrückten Plan aufzugeben, weil ich mir unablässig
vorstelle, wie schwer Du es damit hast. Wenn Du das alles nicht mehr
durchstehen kannst, pack Deine Sachen oder pack sie nicht, aber komm. Danny
bedrängt mich dauernd, und er hat recht: Wir brauchen dieses verdammte Geld
nicht. Es sind meine beschissenen Prinzipien, mein falscher Stolz und die Wut
in meinem Bauch, die mir den Kopf schwindlig machen. Nichts weiter.
Vroni.
Vroni! Halte Dich fest. Gerade erhielt ich die erlösende Nachricht: Es ist
alles wie geplant eingetroffen! Mein Gott, die haben bezahlt!! Unser Konto ist
voll – übervoll!!! Mein Schweizer Bankier hat mich soeben unterrichtet. Das Fax
liegt vor mir auf dem Tisch. Vroni, es ist geschafft! Die haben bezahlt. Es ist
nicht zu glauben. Die haben wirklich bezahlt. Das Bangen und Grausen ist
vorbei.
Komm,
so schnell Du kannst! Verstehst Du mich? Bitte, pass auf Dich auf und sei
vorsichtig! Mit Sicherheit wirst Du noch überwacht. Wir warten auf Dich. Wir
lieben Dich. Viel Glück!
Tausend Grüße und
Küsse von den Kindern und mir.
In Liebe
Dein Freddy
PS:
Ich schiebe dieses Schreiben sofort in die Maschine und faxe es zu Kalle und
beauftrage ihn, es Dir persönlich und so schnell wie möglich nach München zu
bringen. Ich hoffe, dass Du spätestens morgen meine Zeilen lesen kannst. Bitte,
komm schnellstens!
Obwohl
Du weißt, was jetzt zu tun ist - aber trotzdem: Bitte lese meine Anweisungen,
die ich Dir damals gab noch einmal ganz genau durch, denn es darf nichts mehr schief
gehen, hörst Du?! Vor allem merke Dir die Telefonnummer. Rufe aus Zürich an.
Nicht aus Deutschland!!!
Veronikas
Herz schlug schneller. Sie las das Schreiben dreimal, besonders die kurzen
Anweisungen am Schluss, aber die kannte sie ja längst. Manfred hatte sie vor
seiner Flucht über sein Vorhaben ausführlich informiert. Nun hieß es Fax und
Kuvert vernichten. Zuvor notierte sie sich die vierzehnstellige Telefonnummer,
die sie von Zürich aus anrufen sollte, auf der Innenfläche ihrer linken Hand,
um sie auswendig zu lernen. Dann ging sie in die Küche. Sie steckte den
Gummipfropfen in die Spüle, brannte die Papiere an und ließ alles in das Becken
fallen. Verträumt sah sie dem kleinen Feuer zu. Nach zehn Sekunden war bloß
noch ein Häufchen schwarz-graue Asche übrig. Mittlerweile hatte sie sich die
ungewöhnlich lange Telefonnummer eingeprägt. Sie öffnete den Wasserhahn, wusch
ihre Hände und
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