Das Salz der Mörder
Finger wickeln und einlullen lassen wie eine
kleine dumme Gans. Dafür gabst du ihm auch ausreichend Zeit und Gelegenheit.
Mit den anderen Typen warst du nicht so zimperlich. Ich verstehe dich nicht. Er
ist immerhin sechzehn Jahre jünger als du. Du, du Allwissende, du wirst dich
doch nicht etwa in ihn verliebt haben? Mir hast du solche göttlichen Gefühle
nie zugestanden. Ich durfte nie einen Mann haben. Ich würde mich auch gern
einmal berühren lassen, um dieses göttliche Gefühl zu erfahren. Stattdessen
musste ich mich in meinem trostlosen Zimmer mein ganzes Leben lang selbst
befriedigen“,
Die
Hansen beginnt am ganzen Körper unmerklich zu zittern. „Schluss jetzt. Halt den
Mund!“
Tränen und
Schweiß sind beide nass und salzig, doch ihre Wirkung ist ganz unterschiedlich.
Mit Tränen verschafft man sich Mitgefühl, der Schweiß bringt einen
voran. (Jesse Jackson)
81. Veränderungen
Auch
Veronika Wegner hatte die erschütternde Reportage von den Todesschüssen in
Wusterwalde und die Vorbereitungen für den Abflug der Hansensekte auf dem
Hamburger Flughafen Fuhlsbüttel im Fernsehen verfolgt.
Keine
öffentlich-rechtlichen, keine privaten und nicht einmal regionale
Sendeanstalten ließen sich die lukrative Berichterstattung über die
sensationelle Wendung der Geschehnisse entgehen. Sämtliche Revolverblätter und
die, die es werden wollten, von Flensburg im höchsten Norden bis Garmisch im
tiefsten Süden, lagen voll bedruckt mit journalistischen Vermutungen und
Halbwahrheiten in jedem Zeitungskiosk der Republik. Es wurde über alles
berichtet, was berichtenswert, ausgeschlachtet, was ausschlachtenswert und
spekuliert, was spekulierenswert war. Veronika empfand Entsetzten und
Erleichterung zugleich, denn aufgrund dieser exzessiven Berichterstattung
erfuhr sie ebenso, dass die Lösegeldforderung des international gesuchten
Schwerstkriminellen Manfred Wegner in voller Höhe durch die Deutsche Bank AG auf
jenes dubiose Schweizer Nummernkonto überwiesen worden war.
Einen
Tag danach besuchte sie Kalle aus Waldfrieden unverhofft und überreichte ihr
einen Briefumschlag, in dem sich ein Fax befand. Endlich hielt sie die
langersehnte Nachricht in Händen.
Meine
liebe Veronika,
es
ist schon lange, so unendlich lange her, dass ich Dich nicht mehr sehen durfte.
Du wirst es nicht glauben können, aber ich denke oft an unseren letzten Tag
zurück. Kannst Du Dich noch erinnern? Es war ein kalter, verregneter
Märzmorgen, an dem wir uns nach fast einem dreiviertel Jahr wiedersahen, und an
dem ich Dich zusammen mit den Kindern wieder verlassen musste. Doch es wird
alles gut werden. Daran glaube ich ganz fest.
Danny
und Gaby sind gesund und munter und fühlen sich wohl hier, doch sie vermissen
Dich sehr. Beide meinen: Ohne Dich ist unsere Familie nicht funktionsfähig. Und
es stimmt - wir sind wie amputiert.
Gaby
hat sich sehr schnell eingelebt und es geht ihr inzwischen wesentlich besser.
Von ihren bösen Depressionen ist nichts mehr zu bemerken. Wochentags fährt sie
mit dem Express-Bus in die Stadt und besucht dort die Internationale Schule.
Danny studiert, das heißt, er versucht sich zurzeit in Anthropologie, wenn er
nicht gerade mit seinen ebenso strebsamen jungen Kommilitonen auf einem Trip
durch das Landesinnere unterwegs ist. Die Eingeborenen erforschen, behauptet er
– die Ureinwohner verrückt machen, behaupte ich. Weißt Du, von wem er mit einem
Mal dieses Interesse an Humanwissenschaften hat? Ich will hoffen, er meint es ernst
damit. Mir wird es ständig ein Mysterium bleiben: Welche metaphysischen
Verbindungen bestehen zwischen einem gelernten Koch der Spitzenklasse und einem
Anthropologen? Aber das sollte Danny selbst am besten wissen und für sich
allein entscheiden dürfen. Ich glaube, diese Freiheit müssen wir ihm lassen.
Übrigens kocht er nach wie vor ausgezeichnet, deswegen sind mir seine
überstürzten Ausflüge in den Urwald meistens ein Groll.
Im
letzten Monat habe ich ein wunderschönes Haus gekauft. Ich hatte Glück und einen
cleveren Makler, deshalb brauchte ich nicht lange zu suchen. Das Anwesen liegt
direkt am Atlantischen Ozean und ist ungefähr zehntausend Quadratmeter groß,
also zehnmal größer als unser Grundstück in Waldfrieden. Das musst Du Dir mal
vorstellen!
Ich
nannte es verliebt „Fazenda Veronica“, was so viel heißen soll: Das Haus gehört
Dir. Um Deinen Namen in den Marmorbogen über dem Eingangsportal einzumeißeln,
habe ich extra einen Steinmetz aus der
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