Das Salz der Mörder
einen Vertrag
abgeschlossen. Gib endlich zu, dass Du Deine Herrschaft über uns kampflos dem
Teufel übergeben hast. Ich frage mich bloß, warum so viele auf Dich
hereinfallen und fortwährend ihren Trost bei Dir suchen. Es müsste verboten
werden, dass ein Phänomen wie Du, den Menschen unmögliche Hoffnungen vorgaukeln
darf. Denn bevor Du uns weiter verrückt machst, solltest Du mal etwas von
Deiner überirdischen Herrlichkeit zeigen. Und zwar vom TÜV abgestempelt, mit
beglaubigtem Zertifikat. Wir wollen was sehen, hörst Du? Andauernd redest Du
von Deiner unendlichen Liebe, dabei unterstützt Du Kriege, und machst
diejenigen noch reicher, die schon genug am Morden verdienen. Für meinen Freund
Steven hattest Du momentan keine Zeit. Ist ja egal, lass ihn ruhig verrecken
wie Millionen andere auch. Satan wird alle Toten mit einem Lächeln übernehmen.
Sei endlich einmal ehrlich zu uns! Du hast doch Deine Menschheit nur
erschaffen, um Dich mit ihr zu amüsieren. Deshalb stattetest Du uns von vornherein
mit sämtlichen Sünden aus, die sich ein Normalsterblicher kaum auszudenken
vermag. Und nun ergötzt Du Dich dran, uns die angeborenen Sünden wieder
auszutreiben. Muss so etwas sein, wie ein modernes Computerspiel: Du sitzt vor
dem Monitor und drückst die Knöpfe am Joystick. Fällt einer Deiner Kreaturen
um, lachst Du Dir verschmitzt in Dein göttliches Fäustchen und spielst
wohlgemut weiter. Da ich jedoch den eben von mir geäußerten Schwachsinn selbst
nicht glauben mag, gelange ich zu einer völlig gegensätzlichen Variante Deiner
mystischen Existenz: Nicht Du hast uns, sondern wir haben Dich erschaffen. Das
klingt doch viel plausibler, denn durch diesen gewitzten Schachzug hatten und
haben die Obrigen von Kirche und Staat ein einzigartiges Gewaltmonopol gegen ihre
aufrührerischen Untertanen. Demzufolge hat Dein eingeborener Sohn Jesus
Christus genauso wenig existiert wie Du, denn wir haben Dein verfluchtes Kreuz
zu tragen, kein anderer. Hättest Du Deinen Sohn gekreuzigt, wäre er mit
Sicherheit ein einziges Mal in Deinem Heiligen Buch selbst schriftlich in
Erscheinung getreten. Es sei denn er war des Lesens und Schreibens nicht
mächtig. Doch warum sollte er? Staffierst Du niedere Geschöpfe mit mehr
Fähigkeiten aus als Deinen eigenen jungfräulichen Sohn? Das ist kaum zu
glauben. Obwohl, Du hast ihm ja nicht einmal erlaubt die Genüsse des
Geschlechtsverkehrs zu empfinden. Eigentlich schade: Du hättest nicht zulassen
sollen, dass wir Sünder uns fortpflanzen, sondern Deinen Sohn dazu verpflichten
sollen sich nach Deinem Abbild zu vermehren. Er hätte tatsächlich ein
einzigartiges Menschengeschlecht hervorbringen und Deine von Dir erschaffene
Welt als eine christliche und göttliche gestalten können. Allerdings wäre diese
antiseptische Welt zu langweilig für Dich, Du könntest nicht mit Deinen Sündern
spielen, sondern müsstest Millionen Jahre Hosianna singen, verdammte Scheiße!“
Ich
brach auf dem Sofa zusammen. Meine Nerven spielten nicht mehr mit. Dann hörte
ich eine leise Stimme zu mir flüstern: „Dieu vous pardonne, mon ami, Dieu vous
garde.“ Ich weiß nicht, ob ich bewusstlos wurde oder traumlos schlief. Am
nächsten Morgen weckte man mich nicht. Es war Mittag, als ich aufwachte. Roger
und Angelique saßen im Garten und tranken Rotwein. Nach einer erfrischenden
Dusche setzte ich mich zu ihnen an den Tisch und zum ersten Mal seit meiner
gestrigen Ankunft redete wir miteinander.
„Bonjour,
comment allez-vous??“ fragte mich Angelique, und hauchte dabei wieder eine
Wolke Zigarettenrauch aus.
„Sie
fragt, wie es Ihnen geht“, übersetzte Roger.
„Wie
soll es mir gehen? Ich weiß es nicht. Ich kann das alles nicht glauben, ich
will es nicht wahrhaben“, antwortete ich kopfschüttelnd und wir verfielen
erneut in Schweigen. Auch bei ihnen steckte der Schock tief in den Gliedern,
immerhin hatten sie Steven für einige Wochen beherbergt und lernten ihn als
Freund schätzen und lieben. Doch was konnten wir tun? Stevens spärliche
Überreste waren bei der Gerichtsmedizin und wurden vorerst von den Pathologen
nicht freigegeben. Roger hatte David bereits gestern Nachmittag bei ihrem
Telefonat über alles informiert. Er wird in den nächsten Tagen eintreffen.
Sollten wir Stevens Bruder in England benachrichtigen? Niemand kannte ihn. Wir
beschlossen auf David zu warten. Ohne ihn wollten wir nichts entscheiden.
Schließlich kannte er Steven seit seiner Kindheit und hatte selbstverständlich
ein
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