Das Salz der Mörder
den
außergewöhnlichen Tagesereignissen in der Firma „Bernhard von Bentheim &
Sohn“. Wie ihr Mann überzeugend versicherte, würde sich Frau Wegner gegenwärtig
bei einer pensionierten Krankenschwester in Rostock aufhalten. Dies, freilich,
bezweifelte die clevere Anwältin ganz entschieden, und es kam zu einem
mittelschweren Ehestreit.
„Um
Himmelswillen, warum hast du mich denn nicht sofort verständigt, als die Wegner
bei dir auftauchte!?“ schrie sie ihrem Gemahl ins Gesicht. Herr von Bentheim
legte kauend sein Essbesteck auf den Teller und setzte seine Brille auf, um
seiner Frau genauer in die Augen sehen zu können. Im gleichen Tonfall fuhr sie
fort: „Du brauchst mich gar nicht so unschuldig anzustarren. Soviel mir bekannt
ist, stehen auf deinem Schreibtisch mindestens drei Telefone, von dem Handy in
deiner Westentasche ganz zu Schweigen. Ich verstehe dich nicht! Als Chef eines angesehenen
Unternehmens solltest du doch Eins und Eins zusammenzählen können. Begreifst du
denn nicht? Die haben ihrem Mann gestern den Rest der geforderten fünfzig
Millionen überwiesen – du hast es doch selbst in der Zeitung gelesen -, und
heute verschwindet die Wegner zu einer Krankenschwester nach Rostock auf
Nimmerwiedersehen? Das glaubt ja nicht einmal dein dümmster Hilfsarbeiter.“
„Lass
mich bitte in Zukunft mit deinen Kanzleiangelegenheiten in Ruhe, Katharina.
Damit möchte ich nichts zu tun haben. Mir fiel an der jungen Frau nichts
Ungewöhnliches auf. Nur dass sie jeden Satz mit ‚Ich’ begann, erschien mir nach
einiger Zeit doch etwas peinlich“, erwiderte Herr von Bentheim höchst unwirsch,
schleuderte seine Serviette mit aller Kraft auf den polierten Mahagonitisch,
stand auf und verließ den Raum.
Nach
dem verdorbenen Abendessen versuchte Frau von Bentheim umgehend Staatsanwalt
Schmid-Mertens über die neusten Geschehnisse zu informieren. Der wiederum hielt
sich zurzeit in Hamburg auf und schien für niemanden erreichbar zu sein. An
eine Stellvertretung war an diesem Wochenende auch nicht mehr zu denken. So
vergingen Samstag, Pfingstsonntag und Pfingstmontag. Am Dienstag trafen sich
die Rechtsanwältin Frau Dr. von Bentheim und der Staatsanwalt Herr Dr.
Schmid-Mertens, nach einer kurzen Vorabsprache, im Büro des Haftrichters. Man
stellte übereinstimmend fest, dass sich Frau Veronika Wegner wegen schweren
Betruges und Tatvereitlung, der Beihilfe zur Entführung ihrer Kinder und der
Beihilfe zur Erpressung zum Nachteil der Bundesrepublik Deutschland strafbar
gemacht hat. Ein Haftbefehl wurde sofort ausgestellt. Das war allerdings vier
Tage zu spät, wie man sich erwiesenermaßen eingestehen musste. Die damit
verbundene Großfahndung verpuffte indessen wirkungslos an den Grenzen
Deutschlands, denn zu diesem Zeitpunkt weilte Veronika Wegner schon ganz
woanders.
Dann wirst du
spüren, nach wie salz'gen Teigen das fremde Brot schmeckt, und wie hart es ist, die fremden Treppen auf- und abzusteigen. (Dante
Alighiere)
85. Stevens Ende
Entsetzt
legte ich den Brief beiseite. Ich konnte und wollte das alles nicht glauben.
Ich sah zu Roger und schüttelte den Kopf. Angelique brannte sich eine neue
Zigarette an. Es war mir vollkommen klar, dass beide den Inhalt des Schreibens
kannten. Roger übersetzte mir die französischen Zeitungen ins Englische. Was
Steven in seinem Abschiedsbrief vorausgeplant hatte, traf ein. Es verlief nur
nicht so einfach und reibungslos, wie er sich seinen Tod herbeiwünschte, obwohl
das auch noch nicht eindeutig nachgewiesen ist. Die Presse berichtete über den
Tathergang folgendes: Ein englischer Tourist sieht sich die Sehenswürdigkeiten
von Abidjan an und verläuft sich im Armenviertel der Stadt. Dort mietet er sich
in einem billigen Hotel ein. Ausdrücklich besteht er auf eines der Zimmer im
Parterre. Da der Mann gehbehindert ist, ist dieser Wunsch nicht ungewöhnlich.
Am Morgen des nächsten Tages hinterlegt er einen Betrag von
eintausendfünfhundert Dollar im Hotelsafe. Doch am Abend desselben Tages
verlangt er lautstark in Anwesenheit mehrerer Gäste und Hotelangestellter seine
Dollars von der Rezeption zurück, weil ihm angeblich die Aufbewahrung des
Geldes in seinem Hotelzimmer als sicherer erscheint. Er nimmt die Dollars
entgegen und schlendert anschließend in die Hotelbar, um sich zwei Flaschen
Johnny Walker zu kaufen. Danach geht er in sein Zimmer und wird nicht mehr
gesehen. Eine Stunde nach Mitternacht hört er leise Geräusche. Mit einem
Wagenheber werden die
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