Das Salz der Mörder
bitte nicht, dass ich ein paar
Beatlestitel spielen kann. Das darf sie auf keinen Fall erfahren, hörst du? Das
soll eine Geburtstagsüberraschung werden. Den hast du hoffentlich nicht
vergessen, den 30. April, Walpurgisnacht. Das war ja auch euer Hochzeitstag,
nicht?“
„Viel
Glück hat sie uns nicht gebracht, diese Walpurgisnacht“, murmelt ich in mich
hinein.
„Wie
ist denn die Musik bei euch. Die Musik in Afrika, meine ich, bei den
Schwarzen?“
„Die
afrikanische Musik ist sehr rhythmisch. Diese Rhythmik hat die ganze Welt
erobert. Gott sei Dank, sonst würden wir Deutsche immer noch nach Marschmusik
marschieren und Polka tanzen. Kannst du dir vorstellen es gäbe keinen Blues,
keinen Jazz, keinen Swing, keine Rock and Roll, keinen Beat und keine Beatles –
wirklich unvorstellbar. Leider haben meine afrikanischen Kollegen bislang nicht
viel von Harmonielehre gehört, vermute ich. Ich staune, wenn außer Tonika und
Dominante irgendwann mal eine Mollparallele hörbar wird. Damit kennst du dich
doch schon aus, oder?“
„Olle
Mozart hat ja selbst bloß zwischen Tonika, Subdominante und Dominante
herumgefummelt.“
„Mir
ist nicht eindeutig klar, wer dir diesen Quatsch erzählt hat. Immerhin
fabrizierte er jede Menge Musik zwischen den drei Harmonien. Unsere Beatles
schrieben Songs, die nicht länger als zwei, drei, vier Minuten dahin hetzten.
Ich glaube „Hey Jude“ mit sieben Minuten war wohl ihr längstes Werk, und
deswegen wollten ihn damals die meisten Radiostationen in Deutschland nie
vollständig ausspielen. Ob unsere vier Pilzköpfe aus Liverpool Klavierkonzerte,
Opern oder Sinfonien geschrieben haben, ist mir nicht bekannt. Ich bin mir auch
nicht sicher, ob die Streicherpassagen, vor allem in „Yesterday“ und „Elenore
Rigby“ von ihnen oder von ihrem Produzenten George Martin sind.“
Völlig
entsetzt fragte mich Gaby: „Du magst die Beatles also nicht mehr?“
„Aber
ja, ich liebe sie! Denn sie waren ein wesentlicher Teil meiner Jugend gewesen.
Leider ist Jugend nur ein Stadium, ein kurzer Abschnitt unseres Lebens. Man
entwickelt sich doch weiter. Auch Hörgewohnheiten ändern sich. Jede Art von
Musik kann faszinierend sein, sei es durch die Rhythmik, der Melodik oder der
Harmonik. Sollte indes alles gleichzeitig zusammenwirken, bekommst du eine
Gänsehaut, die nicht mehr weggehen will. Du frierst dich vor Glück und Freude
sozusagen halbtot. Das ist ein ganz irres Gefühl. Hast du solch eine Empfindung
schon einmal gehabt?“
„Ja,
bei den Beatles. Wenn ich die CDs höre und ich spiele haargenau das Gleiche auf
dem Klavier nach, dann kriege ich Gänsehaut.“
„Gaby,
es gibt noch andere Musik, die Spaß macht. Übe du erst mal deinen ‚ollen
Mozart’. Wenn du den erst richtig spielen kannst, geht deine Gänsehaut nie
wieder weg. Kannste mir glauben.“
Danny
kam gegen acht. Er begrüßte mich ziemlich kühl. Sonst sagte er nichts. Aus ihm
war ein junger Mann geworden. Seine Schwester berichtete alles über mich, was
sie bisher von mir erfahren hatte.
„Ich
weiß nicht, was du überhaupt bei uns willst, Vati“, brach er schließlich sein
Schweigen. „Mutti und du seid vor fünf Jahren geschieden worden. Hast du das
nicht gewusst? Du warst unauffindbar, daraufhin erklärte dich das Gericht für
verschollen.“
„Na
und!“ ereiferte sich Gaby, „Mutti kann aber Vati wieder heiraten. Nun ist er ja
nicht mehr verschollen. Das siehst du doch, du Blödmann.“
Verschollen?
Dabei kannte Vroni meine ghanaische Adresse und Telefonnummer, schoss es mir
durch den Kopf. Während all der Jahre schrieb ich Briefe, Weihnachts-, Oster-
und Geburtstagskarten. Hatte sie sie nicht erhalten oder wollte sie meine
Lebenszeichen vor den Kindern verheimlichen?
„Vor
der Haustür steht ein silberfarbener Opel Kadett“, Danny wechselte das Thema,
„direkt auf Muttis Parkplatz. Der steht genau da drauf. Eine Frechheit. Sieht
aus, als ob die Kiste von weither gekommen ist. Ist ganz schön verdreckt. Hat
’ne BGL-Nummer, ist im Berchtesgadener Land zugelassen. Die Karosse scheint halbwegs
neu zu sein. Der ähnelt unserem ersten Opel wie ein Ei dem anderen. Ist das
etwa deiner, Vati?“ er sprach zu Gaby, doch seine letzte Frage richtete an
mich.
„Ja.
Den habe ich heute Nachmittag bei Opel-Sorger gekauft. Den Laden wirst du noch
kennen, oder?“
„Na
klar, kenne ich Opel-Sorger. Ich wusste aber nicht, dass du zuerst deinen alten
Kumpel in Freilassing besuchst und mit ihm einen Trinken
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