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Das Salz der Mörder

Das Salz der Mörder

Titel: Das Salz der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Otto Stock
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und wir werden
ein Heimweh nach Deutschland überhaupt nicht empfinden. Doch was wird aus Oma
und Opa?
    Veronika
schreckte jäh aus ihren Träumereien auf. Hinter ihrem Rücken nahm sie zwei
bekannte Stimmen wahr. Sie brauchte einen kurzen Moment, um sie zu analysieren.
Die männliche Stimme gehörte Oberarzt Dr. Scheffler von Station C 3, die
weibliche zu Vivian aus der Kinderabteilung ihrer ehemaligen Klinik. Mein Gott,
es ist noch gar nicht so lange her, da waren wir befreundet miteinander und
jetzt muss ich mich vor euch verstecken, dachte sie, indem sie den letzten
Schluck Kaffee hastig hinunterstürzte. Was für Zufälle! Sie ging ohne Aufsehen
zu erregen zum Kellner und bezahlte. Unerkannt trat sie ins Freie. Rasch lief
sie zum Bahnhof zurück, denn es war höchste Zeit. Durch die dichtgedrängte
Menschenmenge gelangte sie schließlich zu ihrem Bahnsteig, an dem der Zug schon
bereitstand. Sie fand einen Platz in einem leeren Abteil und wartete auf das
Abfahrtssignal. Mit ihrer Handtasche und den Sachen, die sie auf dem Leib trug,
verließ sie Deutschland - und das möglicherweise für immer.

88. Deutschland, Deutschland über
alles
     
    In
meinem Personalausweis und im Führerschein stand der Name Manfred Wegner, im
britischen Reisepass: Ted Berliner. Ich sollte diese Dokumente nach Möglichkeit
sehr weit voneinander getrennt aufbewahren, um gefährliche Komplikationen zu
vermeiden. Zürich, München, Freilassing. Ich war wieder in Deutschland. Wieder
stieg ich auf demselben Bahnsteig aus, ging wieder durch dieselbe Unterführung.
Die Bahnhofskneipe war geöffnet und an den Fahrkartenschaltern herrschte reger
Nachmittagsbetrieb. Aber das nahm ich alles nur beiläufig wahr. Am
Würstchenkiosk vor dem Bahnhofsgebäude wartete ich auf ein Taxi. Natürlich
hätte ich die paar hundert Meter bis zu Vronis Wohnung auch laufen können, doch
nach all den Jahren wollte ich nicht wie ein Hausierer aus Afrika zurückkehren.
Dann stand ich vor unserer Haustür in der Reichenhaller Straße. Doch an dem Briefkasten,
in den ich sechs Jahre zuvor die Frankfurter Rundschau eingeworfen hatte,
klebte ein fremdes Namensschild. Ich drückte trotzdem auf den Klingelknopf.
Vielleicht würden mir die Nachmieter etwas über den Verbleib der restlichen
Familie Wegner sagen können. Nein? Auch die anderen Nachbarn hatten nichts
Genaueres gehört. Ich stand wieder da und wusste nicht wohin. Unerwartet fiel
mir Harald Juhnke ein. Ich lief zu unserer Sparkasse. Dort erfuhr ich, nach
langen ausschweifenden Erklärungen über das deutsche Bankgeheimnis, dass Vronis
Konto vor fünf Jahren zu einer Filiale nach München transferiert worden war.
Ich bedankte mich und rannte geradewegs zur Post. Im Münchner Telefonbuch fand
ich sie - Wegner, Veronika, und sogar mit Adresse. Sollte ich sie anrufen, nach
all den Jahren? Lieber nicht. Ich nahm wieder ein Taxi und fuhr zu Opel-Sorger
in das Industriegebiet. Früher arbeitete dort ein Freund von mir – auch einer
aus der ehemaligen DDR. Mit dem traf ich mich im Sommer öfters nach der Arbeit
im Freibad, um eins, zwei, drei, vier Bier zu trinken, wenn Vroni Spätdienst
hatte und die Kinder in den Ferien bei Oma Ilse und Opa Toni in Berlin
herumtobten. Nun fragte ich nach ihm.
    „Der
bekam seinerzeit gelegentlich eine Ansichtskarte aus Afrika, die er an seinen
Spind klebte.“ Ob ich ihn sprechen könne? „Nein, der hat vor zwei Jahren
gekündigt. Der ist wieder zurück in seinen geliebten Osten“. Dessen ungeachtet
kaufte ich mir auf die Schnelle den silberfarbenen Opel Kadett 1,6 i, der dort
so schön im Ausstellungsraum funkelte.
    „Warum
denn ausgerechnet den? Das ist ein älteres Model.“
    „Lassen
Sie das ja nicht Ihren Chef hören“, erwiderte ich hinter vorgehaltener Hand und
wusste genau, weshalb mir gerade dieser Wagen ins Auge stach: dieser Typ war
mein erstes Westauto, das ich mir nach der Wende von einem windigen bayrischen
Gebrauchtwagenhändler aufschwatzen ließ, sogar die Farbe stimmte. Ich werde mir
später ein richtiges Auto zulegen, wenn ich länger in Deutschland bleiben
sollte.
    Man
gab sich Mühe. Selbst die Zulassungsformalitäten waren innerhalb von zehn
Minuten geregelt. Sie rochen wahrscheinlich, dass ich Bargeld in der
Hosentasche hatte und in Eile war. Nachdem alles unterschrieben und
abgestempelt war, setzte ich mich in mein neues Auto und fuhr eiligst davon.
Ich wollte so schnell wie möglich nach München. Trotzdem ließ ich es mir nicht
nehmen, an Johann

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