Das Salz der Mörder
finanziell
erkenntlich zeigen - in einem gewissen Rahmen versteht sich -, wenn Sie uns
eine einigermaßen druckreife Story erzählen könnten. Kindheit, Jugend,
Hochzeit, Familie und so weiter – Sie wissen, was ich meine.“
„Ich
zweifle nun wirklich an Ihrem Taktgefühl, mein Herr. Es handelt sich um das
Leben meiner Tochter und meines Mannes. Sagen Sie Ihrem Kollegen, er soll seine
Kamera erst gar nicht auspacken. Es wird nicht geknipst, und wir brauchen Ihr
Geld nicht. Ich sage Ihnen zunächst folgendes: Sollte eine Zeile über diesen
Fall veröffentlicht werden und sich negativ auf die laufenden Ermittlungen
auswirken, werde ich Sie und Ihr Käseblatt zur Verantwortung ziehen. Ich
verbiete Ihnen hiermit auch nur ein einziges Wort oder Foto zu veröffentlichen.
Haben Sie das verstanden? Im Übrigen werde ich sofort die zuständigen Stellen
über Ihr ungeheuerliches Verhalten in Kenntnis setzen. Ich denke, es ist
besser, wenn Sie jetzt verschwinden!“
Das
ging tatsächlich zu weit an diesem Montagmorgen. Seit drei Tagen wartete Frau
Wegner auf einen kompetenten Kriminalbeamten aus Kiel oder zumindest aus
Itzehoe. Genau zehn Tage waren vergangen, als sie und Daniel zum letzten Mal
mit Gabriele und Manfred zusammen saßen, an jenem Samstagabend. Nach dem
„19-Uhr-heute-journal“ gab es Wein zum Abschied. Selbst Gabriele durfte mit
anstoßen. Manfred bekam einen extra starken Kaffee. Daniel meinte noch: „Bitte,
Vati, vergesse nicht sofort anzurufen, wenn ihr im Hotel eingetroffen seid. Ich
will nämlich deine Fahrzeit stoppen und meine Wette gewinnen. Gaby behauptet
felsenfest, dass Mutti mit ihrer lächerlichen Klapperkiste schneller fährt als
du mit deinem 1,6 i, weil Muttis Flitzer so winzig klein ist, dass er jeden
Stau umfahren kann.“ Veronika und Daniel wollten zwei Wochen später mit dem
kleinen Franzosen, wie sie ihren Zweitwagen liebevoll nannten, nachkommen.
Gegen
zwanzig Uhr brachten sie die Koffer und Taschen vor die Haustür und verstauten
ihr gesamtes Urlaubsgepäck im Kofferraum des Opels.
„Freddy,
mach mir dort oben keinen Ärger mit den braungebrannten Wassernixen. Na, Gaby
wird schon aufpassen“, scherzte Veronika mit erhobenem Zeigefinger. Alle lachten.
„Fahr vorsichtig! Und ruf mich von unterwegs an“, flüsterte sie nach dem
Abschiedskuss an der Wagentür.
Veronika
Wegner kann an nichts anderes mehr denken. Ihre blauen Augen füllen sich
allmählich mit Tränen, als sie diesen Abend wieder in Gedanken vor sich sieht.
Sie sitzt im Strandkorb hinter dem Hotel, das unmittelbar am Meer liegt.
Danny
schwimmt immer zu weit hinaus. Auch er hat sich in den wenigen Tagen verändert.
Er wirkt nun mit seinen siebzehn Jahren viel gesetzter, reifer. Er war damals zehn,
als sein Vater auf Nimmerwiedersehen verschwand. Das wird er wohl nicht so tief
empfunden haben wie jetzt. Denn nachdem Manfred zu ihnen zurückgekehrt war,
wurde ihr Verhältnis sehr intensiv. Und das Wichtigste: Daniel fühlte sich von
jeher für Gabriele verantwortlich. Auf einmal waren beide verschwunden, und
seine heile Welt hatte sich über Nacht schlagartig verändert.
Die
Ehe von Veronika und Manfred Wegner verlief in einem wellenförmigen auf und ab.
Zu jung waren sie seinerzeit im Frühsommer 1978, als sie sich vor dem
Standesbeamten in Berlin-Mitte dieses berühmte Ja schworen. Und dann zum
zweiten Mal, religiöser und himmlischer in der Marienkirche. Aufgeregt aber
lächelnd stiegen sie die Stufen empor. Veronikas langes, weißes Hochzeitskleid
schwebte über den geweihten Boden. Manfred, angeblich völlig ungezwungen,
getarnt im schwarzen Frack mit Fliege, schritt stolz an ihrer Seite. An diesem
Tag war er der liebste und bestaussehende Mann der Welt. Axel-Otto, der
korpulente Schlagzeuger, und Lothar, der spindeldürre Sänger von Manfreds
Rockband, öffneten grinsend die riesigen Türflügel des hohen Kirchenportals.
Alles erschien ihr märchenhaft. Veronika war ja damals nur ein Jahr älter als
Daniel heute – man stelle sich das vor. Und Manfred? Wie ein kleiner Junge
freute er sich auf die Wochenenden, wenn er oben auf der Bühne stehen konnte
und seine Bassgitarre wie Paul McCartney hielt, während ihn von unten all die
jungen Mädchen anhimmelten. Nein, sie war zu verliebt, um eifersüchtig zu sein.
Der
Alltagstrott schien sie ohne Aussicht auf eine anspruchsvollere Zukunft zu
erdrücken. Monotonie schläferte ihr Leben ein. Die Ehe fing an zu kriseln. Ihre
erste ernsthafte Trennung vollzog sich mit
Weitere Kostenlose Bücher