Das Salz der Mörder

Geburt, genau wie Opa Leopold, von
dem Omi fast täglich sprach.
    Mutti
erbte das Häuschen mit Garten, die junge Familie Wegner Omas Sparbuch mit 3000,
- Ostmark.
    Zwei
Jahre danach kam unsere Tochter Gabriele zur Welt. Als Vroni noch in der
Entbindungsstation lag, wurde uns eine schöne Altbauwohnung zugewiesen. Nach
sieben Jahren Wartezeit konnten wir endlich unser erstes eigenes „Zuhause“
beziehen. Bevor Vroni mit Gaby aus dem Krankenhaus in unserem neuen Heim
eintraf, renovierte ich die alte Bude und richtete sie ganz modern ein, mit
allem Schnickschnack, der irgendwie aufzutreiben war. Geld hatten wir ja
genügend zusammen gespart. Ich kann mich genau erinnern: Die monatliche Miete
betrug 27,80 Mark. Nachdem der Zement- und Farbgestank aus unserer taufrischen
Wohnung allmählich verduftet war, erklärte mir Veronika in aller Ruhe, dass sie
nicht mehr so oft mitkommen werde, wenn meine Band zum Tanz aufspielt. Der
Kinder wegen, meinte sie.
    Die
Tage vergingen, die Monate, die Jahre. Immer häufiger übernachtete ich woanders
nach unseren Tourneen. Gut, ja, ich hatte sehr viele Freunde, das bleibt
erfahrungsgemäß nicht aus, wenn man ständig irgendwo auf der Bühne steht und
bekannt ist wie ein bunter Hund. Ja, und? Wie sollte ich mich denn verhalten,
wenn mir die jungen Dinger hinterher rannten? Sollte ich davonlaufen? Wohin
denn? Hinter jeder Straßenecke lauerte doch die mörderische Mauer, die uns
massiv vor westlich-dekadenten Einflüssen beschützen musste. Wir Zonis hatten
stillschweigend mit unseren östlichen Lügengeschichten vorlieb zu nehmen.
    „Ich
habe bei Axel-Otto geschlafen . . .! Beim Schlagzeuger . . .! Was ist denn . .
.? Frag ihn doch!“
    Nun
ging jeder seine eigenen Wege. Eines Tages brach unsere Ehe, dann die Mauer in
Berlin und zum Schluss unser ganzer sozialistischer Staat zusammen.
     
    Es ist furchtbar,
im Meere vor Durst zu sterben. Müsst ihr denn gleich eure Wahrheit so salzen, dass
sie nicht einmal mehr den Durst löscht? (Friedrich Nietzsche)

17. Die Autorität Babas
     
    Frau
Hansen ließ mich mein Schreien beenden und war plötzlich völlig verändert. Ihre
unergründlichen Augen blickten starr auf mich. Sie legte ihre rechte Hand flach
auf meine Stirn und prophezeite: „Überlasse mir deinen Intellekt und du wirst
frei sein. Wenn du allerdings zurückgehen willst, dann heißt das: Psychiatrie
Deutschland. Und du wirst in einem Land leben, in dem einzig und allein
Stammtische wissen, wie man es regiert. Schau ihn dir mal an, deinen
Bundeskanzler: ein übergewichtiger Großkotz. Deine Regierung: eine Horde von
Idioten. Dein Parlament: eine Versammlung schmarotzender Diätenempfänger. Deine
staatlichen Behörden: bestechlich, feige und faul. Die Protestanten haben die
Heiligen abgeschafft, aber die Scheinheiligen haben sie behalten; und die
Katholiken glauben bis heute noch, dass Jesus Christus keusch war. Leider bist
du rebellisch - das ist deine Krankheit, Manfred. Du sträubst dich instinktiv
gegen jede Form von Autorität. Auch wenn du von Autorität nichts wissen willst,
ist die Natur so unerbittlich, dass sie dir ihre Autorität aufzwingt. Du bist
gezwungen, die Autorität der Natur zu akzeptieren. Und da du sowieso eine
Autorität anerkennen musst, warum nicht Babas? Du kannst vor Baba nicht
fliehen. Wenn du hörst, was Er dir über Seine herrlichen Fähigkeiten zu sagen
hat, und du Seinen heiligen Namen preist, wirst du ein Leben in Vollkommenheit
führen.
    Gib
alle Arten von Religion auf, und ergebe dich einfach mir! Ich werde dich dafür
von deinem sündhaften Intellekt befreien und dich zu Baba geleiten! Fürchte
dich nicht! Obwohl du ein renitenter junger Mann bist, werde ich dich zur
achten Perle im Rosenkranz der Acht machen. Der acht Auserwählten.“
    Es
entstand eine kleine Pause. Ich bewegte mich nicht. Meine Arme und Beine ruhten
angeschnallt in den Lederriemen. Noch immer lag ihre Hand fest auf meiner
Stirn. Mit leiser, sanfter Stimme fuhr sie fort: „Wie fühlst du dich jetzt? Ich
erkenne in dir das große Leid unserer ganzen Welt. In dir ist die Seele Adolf
Hitlers. Du bist für die Vernichtung der Juden verantwortlich, Manfred, weißt
du das, du armer Mensch? Nur ich kann dich davon befreien. Und ich werde dich
befreien von deinen Traumata, denn du bist auserwählt, mir zu folgen. Vademekum
– geh mit mir. Und wenn deine Seele rein sein wird, rein gewaschen ist, dann
wirst du zeugen für mich. Prächtige, gesunde Kinder wirst du zeugen -