Das Salz der Mörder
erzählte und erzählte, von dem ich allerdings kaum etwas
begriff. Als es mir nach einer guten halben Stunde zu dumm wurde, unterbrach
ich sie.
„
. . . und Sie können mir sagen, was Sie wollen, bis jetzt habe ich nur eines
verstanden: Ich soll in Ihrem beschissenen Kaff, das voll von Geisteskranken zu
sein scheint, irgendwelche Weiber ficken.“
„Aber
Herr Wegner! Darf ich Sie Manfred nennen?“ „Nein, das dürfen Sie nicht.“
„Sie
sehen das viel zu persönlich. Sie wurden von unserem ärztlichen Gremium
auserwählt jemanden zu befruchten, das ist richtig. Wir geben Ihnen sogar die
Möglichkeit, wenn unsere Auserlesene nicht Ihrem Geschmack entspricht, sich
eine andere auszusuchen. Wir habe da einen kleinen farbigen Katalog
zusammengestellt, den Sie sich ansehen können. Na ja, jedenfalls sollten Sie
kompromissbereit sein.“
„Wissen
Sie was? Ficken Sie mich!“ Ich ballte meine rechte Hand im Ledergurt zur Faust
und streckte der Psychologin meinen Mittelfinger entgegen.
„Liebend
gern, Herr Wegner. Ich bin vierzig. In diesem Alter ist es uns leider nicht
mehr erlaubt Geschlechtsverkehr zum Zwecke der Fortpflanzung zu betreiben. Zum
Gebären stehen bei uns ausschließlich Jungfrauen zwischen fünfzehn und
fünfundzwanzig Jahren zur Verfügung. Trotzdem, danke für das reizvolle und
äußerst attraktive Angebot. Indes, was ich aus Ihrem ganzen Verhalten ersehen
kann, ist, dass Sie nicht verstehen wollen, in welcher Lage Sie sich befinden.
Ja, begreifen Sie denn nicht, dass ich hier diejenige bin, deren Meinung
ausschlaggebend ist? Vereinfacht gesagt: Ich hebe oder senke den Daumen über
Ihre Befindlichkeiten. Unterschätzen Sie meine Autorität nicht. Ich bin im
Moment noch Ihr einziger Freund, Herr Manfred Wegner, vergessen Sie das nicht.
Wer für wen? Ihr gestreckter Mittelfinger wird da herzlich wenig ausrichten
können. Eher Ihr steifes Glied. Kennen Sie übrigens die Fabel von dem Messer
und der Scheide? Nein? Kennen Sie nicht? Also . . ., eines Tages gerieten Scheide
und Messer in Streit; das Messer sagte zur Scheide: ‚Scheide, mein Lieb, du
bist eine Schelmin, denn Tag um Tag nimmst du neue Messer auf . . .‘ Die
Scheide antwortete dem Messer: ‚Messer, mein Freund, du bist ein Schelm, denn
Tag um Tag wechselst du die Scheide . . .‘ - ‚Scheide, du hast mir was anderes
gelobt . . .‘ -‚Messer, du hast mich als erster betrogen . . .‘ Dieser Streit
war bei Tisch entbrannt; Scheidenfutter, das zwischen Scheide und Messer saß,
nahm das Wort und sagte: ‚Du, Scheide, und du, Messer, ihr hattet beide recht
zu wechseln, denn das Wechseln hat euch gefrommt; Unrecht hattet ihr nur, als
ihr euch geschworen habt, nie zu wechseln. Messer, sahst du nicht, dass Gott
dich geschaffen hat, in viele Scheiden zu passen, und dich, Scheide, mehr als
ein Messer aufzunehmen? Ihr habt gewisse Messer töricht gescholten, die
gelobten, ganz ohne Scheide auszukommen, und gewisse Scheiden närrisch genannt,
die gelobten, sich jedem Messer zu verschließen: aber eins wie das andre habt
ihr nicht bedacht, dass ihr beinahe genauso töricht und närrisch wart, als ihr
geschworen habt, du, Scheide, bei einem Messer, und du, Messer, bei einer
Scheide zu bleiben.‘
Nun,
was sagen Sie dazu? Ist von Denis Diderot, einem französischen Schriftsteller
und Philosophen des 18. Jahrhunderts, stellen Sie sich das vor. Klingt ziemlich
frech und modern zugleich, finden Sie nicht auch? Das Werk können Sie sich,
nebenbei bemerkt, in unsere Bibliothek ausleihen, wenn Sie wollen. Es heißt
,Jacques der Fatalist und sein Herr’ oder im Original ‚Jacques le Fataliste et
son Maître. Wir verfügen über beide Ausgaben.“
Nach
ihren letzten Worten - ich konnte nicht einmal auf diesen ganzen fabulierten
Quatsch antworten -, erklang unvermittelt ein ohrenbetäubender Lärm. Das
Geräusch ähnelte einer Sirene. Dr. Radtke sprang vom Stuhl auf. Im selben
Augenblick kam Maria in mein Zimmer gestürzt. Die Meldung - und es hatte den
Anschein einer Meldung - lautete kurz und knapp: Die Bürgermeisterin kommt!
Beide verließen mich in größter Eile. Die Tür wurde wieder vorschriftsmäßig und
selbsttätig verschlossen.
14. Frau Dr. phil. Margot Sofia
Hansen
Margot
Sofia Hansen, geborene Funke, kommt im Mai 1943 als Tochter einer angesehenen
Berliner Kaufmannsfamilie zur Welt. Der Vater erwirbt nach dem Krieg ein
größeres Anwesen an der Nordsee. Ende der fünfziger Jahre gebärt das
Hausmädchen der Eltern eine Tochter.
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