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Das Salz der Mörder

Das Salz der Mörder

Titel: Das Salz der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Otto Stock
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selbstverständlich vor. Lassen wir das, sprechen wir von Ihnen.
Wenn Sie jetzt allerdings erwarten, ich werde Sie über Ihre Kindheits- und
Jugendabstrusitäten à la Freud befragen, haben Sie falsche Vorstellungen von
meinen Vorstellungen über die Arbeit eines Psychologen. Wir sind fast im
gleichen Alter, wissen Sie das . . .? Hören Sie! Ich will Ihnen helfen, daher
könnten Sie gefälligst ein bisschen entgegenkommender zu mir sein . . . O Mann,
Sie schweigsamer Jüngling, was ist los mit Ihnen? Sagen Sie etwas! Kann ruhig
etwas Witziges sein. Nicht einmal begrüßt haben Sie mich . . . Du lieber Gott,
andere Menschen liegen auch in Ketten, aber die rasseln wenigstens damit.
Möchten Sie Ihre Tochter sehen?“
    „Ja!!!“
    „Na,
bitte: Ich habe das erste vorsichtige Kettenrasseln vernommen. Sie wartet
übrigens draußen. Wie Sie sich wahrscheinlich vorstellen können, ist sie nach
all dem, was Sie am letzten Sonntag angerichtet haben, noch ein wenig
verstört.“
    „Kann
ich mit ihr allein sprechen?“
    „Aber
ja doch! Sehe ich etwa aus wie ein Unmensch?“
    Die
Psychologin verschwand hinter den beiden Türen. Es vergingen kaum zehn
Sekunden, und ich sah endlich meine Tochter wieder. Indes wirkte das, was nun
geschah, wie ein inszenierter Aufmarsch: Hand in Hand kamen Gaby und Maria
herein, hinter ihnen folgte lächelnd Frau Dr. Radtke, die ihre Hände behütend
auf Gabys Schultern ruhen ließ. Was ich jedoch erwartet hatte, traf nicht ein:
Gaby riss sich nicht von ihnen los, stürzte nicht auf mich zu, um mich zu
umarmen, nein, im Gegenteil: Sie schien Angst vor mir zu haben.
    „Hallo,
Vati“, waren die einzigen Worte, die sie schüchtern hervorbrachte. Andauernd
sah sie mit fragenden Blicken zu dieser Psychologin auf, als ob sie nach
Anweisungen suchte, um sich ordnungsgemäß zu verhalten. Was haben die nur mit
ihr angestellt? Wie gesagt, es wirkte auf mich wie eine groteske
Schauspielaufführung: Sie führten meiner Tochter ihren gefesselten und
hilflosen Vater vor. Niemand möge jemals fragen, wie ich mich in diesem
Augenblick gefühlt habe. Ich höre Gaby noch fragen: „Tante Maria, können wir
jetzt gehen?“ Und sie gingen. Die Vorstellung war zu Ende. Zurück blieb sie,
Dr. Elisabeth Radtke. Welche Macht besaß diese Frau?
    „Ja,
Herr Wegner, die Frage, die sich uns gegenwärtig stellt, lautet: Wer für wen?
Ich gehe davon aus, sie kennen den Film ‚Das Schweigen der Lämmer‘?
Groteskerweise befinden wir uns in einer ähnlichen Situation: qui pro quo. Ich
bin diejenige, die veranlassen kann, dass Sie hier im Zimmer ungehindert umher
spazieren dürfen oder nicht. Das sollten Sie wissen, bevor wir unsere
Unterhaltung fortsetzen. Ich werde Sie jetzt allein lassen. Wenn Sie sich
entschlossen haben, mit mir zu reden, dann rufen Sie einfach meinen Namen. Man
wird Sie hören. Glauben Sie mir, man hört Sie. Und als Zeichen meiner
Aufrichtigkeit und das ich es gut mit Ihnen meine, werde ich vorerst diese
Infusion entfernen lassen. Sie sollten schon bei klarem Verstand sein, wenn wir
uns das nächste Mal begegnen.“
    Ich
war wieder allein, die gewaltige Tür verriegelt und die Schatten der
Augustsonne offenbarten mir die ungefähre Tageszeit. Ich schloss die Augen und
ging meinen konfusen Überlegungen nach. Plötzlich öffnete sich meine Tür von
neuem. Ich stellte mich schlafend und spürte, dass jemand an mein Bett trat.
Verstohlen blinzelte ich durch meine zusammengekniffenen Augen: die Zufuhr der
Nährlösung wurde gestoppt, die Injektionsnadel sacht aus meinem rechten
Handrücken gezogen und die winzige Einstichwunde antiseptisch gereinigt. Schließlich
rollte man den Eisenständer mit den Schläuchen, den Klammern und dem halb
gefüllten Infusionsbeutel leise aus den Raum. Den schwachen Umrissen folgend,
vermutete ich, Maria hätte mich von diesen Drogen erlöst.
    Meine
körperliche Betäubung ließ schnell nach, meine geistige dagegen langsamer. Das
Wort Betäubung hat sicher etwas mit Taubheit zu tun. Und ich fühlte mich taub,
taub jeglicher Empfindung. Ich versuchte aus all den dahin geworfenen
Einzelteilchen meiner Zwangslage ein Ganzes zu bilden, oder besser ausgedrückt:
ein Puzzle zusammenzusetzen. Doch welche Informationen hatte ich? Darüber
schlief ich ein, denn ich hatte ja keine Informationen.
    Am
nächsten Morgen, es war ziemlich früh - ich glaube nicht einmal sechs Uhr -, da
stand sie wieder vor mir mit ihrem psychologischen Grinsen, diese Frau Dr.
Elisabeth Radtke. Sie

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