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Das Salz der Mörder

Das Salz der Mörder

Titel: Das Salz der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Otto Stock
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Hotel“, schloss er in steifer englischer
Haltung. Ich wusste nicht, was ich über meinen neuen Freund denken sollte.
Steven sah mich und ich sah Steven an. Ebenfalls sehr ernst erwiderte er:
„Willst du damit etwa andeuten, dass du bereits seit einer Stunde auf uns
wartest?“
    „Ja,
was denn sonst. Man hat euch ja nicht wach bekommen. Eigentlich wollte ich viel
früher eure Tür aufbrechen lassen. Ihr hättet ja tot sein können – das geht
hier ganz schnell -, doch als der Hotelmanager mit dem Stemmeisen kam, hörten
wir euch schnarchen.“
    „Gibt’s
keinen Generalschlüssel?“ fragte Steven verschlafen.
    „Hast
du immer noch nicht begriffen, dass du in Afrika bist?“
    „David,
ich wundere mich über dich und stelle mir die profane Frage: Wieso arbeitest du
nicht bei Scottland Yard im vernebelten London, sondern schuftest für diesen
verdammt miserabel bezahlten Job hier in der hitzigen Hitze des Äquators, wo du
jeden Tag diesen unglaublich blauen Himmel und die immergrünen Palmen zu ertragen
hast? Nebenbei bist du dienstlich verpflichtet deine schmutzigen Gedanken in
die Angelegenheiten deiner Landsleute zu stecken, um sie unter Umständen bei
höherer Stelle anzuscheißen. Es muss grauenvoll sein in den Tropen: überall
diese Verdorbenheit, überall dieser Sextourismus und überall diese grelle
Sonne.“
    „Oho!
Das war gut beobachtet und sehr nett dargestellt. Dementsprechend möchte ich
auf ein Zitat von Hemingway hinweisen, der in diesem Zusammenhang etwas äußerst
Bemerkenswertes formulierte: ‚Wer sich in Afrika nicht die meiste Zeit wie ein
Idiot vorkommt, ist wirklich ein Idiot‘.“
    Endlich
fielen sie sich lachend in die Arme. Freudentränen flossen beiden unmerklich
über die Wangen. David zog mich in ihre Mitte. Ich glaube, seit diesem
Zeitpunkt waren wir ein Trio. Später in seinem Diplomatenwagen erzählte er
ausführlich über seine Arbeit bei der High Commission, über seine vor Kurzem
gescheiterte Ehe mit einer aus seinem Büro und über den Alltag in Accra.
    Wir
fuhren durch die überhitzte Hauptstadt. Jedes Mal, wenn wir halten mussten -
und halten mussten wir ständig -, stürmten bettelnde Kinder von links und
rechts, von vorn und hinten, auf unser Fahrzeug ein. Durch die offenen
Autofenster zupften sie an unseren hochgekrempelten Hemdsärmeln und schrien:
„Mister White, give us money, give us money.“ Sie streckten ihre kleinen
schmutzigen Hände aus, um eine Geldmünze vom weißen Mann zu erhaschen. Wenn sie
die ergattert hatten und die Fahrt weiter ging, rannten sie neben uns her, bis
sie außer Atem waren und erschöpft stehen blieben. Lachend winkten sie uns
hinterher.
    Allerorts
Marktstände, auf Schritt und Tritt Straßenhändler. Jeder transportierte seine
Waren auf dem Kopf. Verkauft wurde im wahrsten Sinne des Wortes alles, was
nicht niet- und nagelfest war: vom koreanischen Farbfernseher über
einheimisches Essen und Trinken bis hin zum zerbrochenen linken Außenspiegel
eines Trabants. Die gesamte City ähnelte einem überdimensionalen
Menschenknäuel. Riesige Müllberge verdeckten zerfallene einstöckige Wellblechhäuser,
in denen die Ärmsten der Armen hausten - teilweise ohne Wasser und Strom. Unter
einem gewaltigen Dach aus zusammengenähten Plastiksäcken, das sowohl vor Sonne
als auch vor Regen schützen sollte, entdeckte ich eine Schule für über hundert
Kinder, die mit ihren Schreibutensilien auf dem staubigen Lehmboden saßen.
Gleich daneben wurde Gemüse, Holzkohle und selbstgebrannter Schnaps verkauft.
Es stank erbärmlich. Wie konnte man hier leben? Der Verkehr auf den
durchlöcherten Straßen war beängstigend. Jeder fuhr, wie er wollte. Es kam mir
vor, als würde es keine Regeln geben. Tausende altersschwache Taxis verstopften
die engen Gassen um die Mittagszeit. Dazu die ständig überfüllten „Trotros“ -
die ghanaische Mischung zwischen VW-Bus und Pferdefuhrwerk, eines der
billigsten Transportmittel im Land. Jeder gestikulierte mit den Händen und gab
irgendwelche unverständliche Zeichen. Das ohrenbetäubende Hupen raubte einem
den letzten Nerv. „Stop and Go“, und unaufhörlich die erdrückende Hitze dazu.
Ich war beim besten Willen nicht imstande mir vorzustellen, mich hier jemals
hinter das Steuer eines Autos zu setzen, zumal man an den Straßenrändern zur
Abschreckung Unmengen von Wracks unfallgeschädigter Massenkarambolagen vor sich
hin rosten sah.
    Nach
einer knappen Stunde verwegener Fahrt erreichten wir letztendlich Davids

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