Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
Aufregung.
Abrupt hielt Sander inne. Er reckte den Kopf, lauschte angestrengt in die Höhe, in höchstem Maße alarmiert, denn er mußte schneller als der Fels sein. Tatsächlich! Dort oben im Halbdunkel rieb sich knirschend der Schienenstahl am Felsgestein. Doch dann herrschte wieder Stille – diese erbarmungslose, tiefe Hoffnungslosigkeit, letztendlich den sicheren Tod verheißende Sille.
Sander ließ den Oberkörper schnaufend zu Boden sinken. Er wußte, er würde all seine Kräfte mobilisieren müssen. Würden sie reichen? Immerhin, der erste Schritt schien getan! Skeptisch betrachtete er den Brocken, dann den Schachtboden. Das Gleis sollte das Gleiten ermöglichen. Er mußte es versuchen! „Wir sollten Staubmasken aufsetzen.“ Igor kramte in den Taschen seines Overalls, bis er sie gefunden hatte. Er kroch hoch zu Sander. Der mühte sich ab, die Maske mit einer Hand aufzusetzen – mit der anderen hielt er eisern die Lasche. Igor half ihm. Sander wartete Igors Rückzug in den Fluchtstollen ab, dann legte er sich erneut auf den Schachtgrund, griff um und wuchtete vor Anstrengung stöhnend die Lasche ein weiteres Mal um ihre Querachse. Er mußte nun wesentlich mehr Kraft aufbringen, zumal die Enge des Schachtes seine Bewegungen behinderte. Oben knirschte es, erst kaum, dann deutlich vernehmbar, plötzlich urgewaltig, machtvoll, bedrohlich. Das war nicht die Schiene, das war der Fels!
Sander starrte wie gebannt auf das Steinungetüm, sah, wie es sich, scheinbar unwillig, ihm ein Stück weit entgegen drehte, dann machte er unter Aufbietung all seiner Kräfte eine weitere Drehung, griff um, erkämpfte noch eine. Sein Körper zitterte vor Anstrengung, er wußte, seine Kräfte waren am Ende. Geriete der Fels nicht ins Gleiten, sie wären für immer Gefangene des Berges! Ein Versuch noch! Er fixierte unverwandt den Felsen, während er umgriff. Da – hatte sich der Fels nicht bewegt? Sanders Herz schlug bis zum Halse. Allenfalls zwei Sekunden billigte er sich zu, aus seiner liegenden Position über das Seil hinweg in den Rettungsstollen zu gelangen, dies tief genug, um nicht vom umherfliegenden Gestein erschlagen zu werden. Er rang der Wendel unter Aufbietung all seiner Kräfte eine letzte Drehung ab, keuchte erschöpft, dann starrte er erneut nach oben. Nichts. Totenstille. Er griff um, hörte sein Blut pulsieren. Er stemmte sich in die Lasche, so gut es die Enge zuließ, den Blick stets nach oben gerichtet rang er ihr einige Zentimeter ab. Noch immer nichts. Hatte der Fels sich unverrückbar gesetzt? Das wäre definitiv das Ende! Er wollte gerade umgreifen, einen allerletzten verzweifelten Versuch unternehmen, als mit durchdringendem metallischen Geräusch die Schiene sich schlagartig befreite und, einer angreifenden Klapperschlange gleich, hoch zur Decke sprang. Sander sah, wie, zunächst kaum wahrnehmbar, der Fels zu gleiten begann, sich in Zeitlupe in das Gefälle drehte, so, wie er es gehofft hatte. Einen Moment schien es, als würde er zum Stillstand kommen, dann brach am Boden liegendes Gestein krachend unter seiner Last, er sackte mit dumpfem Aufschlag auf das Feldbahngleis. Im selben Moment nahm er Fahrt auf. Das Knirschen wurde zu einem Schauder auslösenden Kreischen, kurz nur, gefolgt von einem Mahlgeräusch, dessen Botschaft unmißverständlich war: Hier kommt etwas, das keine Macht der Welt aufhalten kann! Das Gleis unter Sanders Körper erzitterte.
Sander verharrte, die Schienenlasche noch immer in der Hand, vor Schreck erstarrt in seiner unkomfortablen Lage. Wie hypnotisiert fixierte er das Felsungetüm, das da – zunehmend schneller werdend – auf ihn zukam. „Rasch!“ Es war Igor, der ihn am Hosenbein packte. Sander ließ die Lasche los, das vom abgehenden Felsen durchtrennte Seil fiel schlaff zu Boden. Der Russe zerrte ihn mit Macht in den Fluchtstollen. Sander schlug mit dem Helm gegen die Decke, das Helmband löste sich und der im Berg so wichtige Kopfschutz trudelte den Schacht hinab. Im Reflex drehte sich Sander, um zu sehen, wohin sein Helm fiel, als mit Getöse der Felsbrocken den Fluchtstollen passierte, gefolgt von einem Mudschahidin, in einen schwarzen Kampfanzug gekleidet und in seltsam gekrümmter Haltung rücklings, die Knie zur Decke gerichtet, auf dem Brocken liegend. Das bärtige Gesicht voller Blut starrte er sie mit aufgerissenen Augen an. Noch während Sander zu verstehen versuchte, was er da zu sehen geglaubt hatte, nahm ihm aufwallender Staub die Sicht. Aus der Tiefe
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