Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)

eingebrannt hatten.
    „Da sind sie!“ Cannons Ausruf unterbrach jäh Sanders Gedanken. Sie sahen, wie Double H auf den Stadtplan deutete, sich angeregt mit Igor unterhielt und dann die Straße hoch in ihre Richtung wies. Igors Blick folgte dem ausgestreckten Arm, dann schauten beide wieder in den Stadtplan. Hatte Igor sie nicht erkannt? Double H und Igor traten einige Schritte zurück, standen keine acht Meter von dem roten UAZ entfernt. Sander sah zu seinem Schrecken, wie sich zeitlupengleich dort die Schiebetür öffnete. Er schluckte vor Aufregung, sein Mund war plötzlich trocken. Er wischte sich mit der Zunge über die Lippen. ‚Macht schon!‘ Warum, zum Teufel, dauert das so lange? Wieso schaute Igor nicht noch einmal zu ihnen hinüber? Sollte er sie nicht erkannt haben? In diesem Moment zeigte Double H auf die Kuppel des Gebäudes. Das Signal! Sie mußten zum Bus!
    Cannon zupfte Sander am Ärmel, als dieser Anstalten machte, auf dem Weg zum Bus in Laufschritt zu verfallen. „Nicht rennen!“ Bevor sie einstiegen, blickten sie noch einmal zur Freitreppe. Dort standen Double H und Igor noch immer in den Stadtplan vertieft.
    „Tür offen lassen! Ganz nach hinten setzen und sofort anschnallen!“ Boris ließ keinen Zweifel aufkommen, daß er auch in leidlichem Englisch wußte, was er sagte, vor allem aber, daß ab sofort nur einer das Kommando hatte. Das war unzweifelhaft er. Erst jetzt bemerkten sie, daß der Motor im Leerlauf leise vor sich hin brabbelte und Boris ein Funkgerät in der Rechten hielt. Er blickte in den Rückspiegel, legte, das Funkgerät in der Hand, umständlich den ersten Gang ein, dann führte er das Gerät zum Mund: „Fertig?“ Er drückte die Empfangstaste.
    Es rauschte einen Sekundenbruchteil im Lautsprecher, schon meldete sich die Gegenseite: „Moment noch! Fußgänger! ... Jetzt! Drei, zwei, eins – los!“
    Boris warf das Funkgerät auf den Beifahrersitz und zog den unter Vollmast beschleunigenden Bus vom Parkstreifen in die benachbarte Fahrspur. Fahrtwind schlug Sander und Cannon unvermittelt ins Gesicht. Während sie Richtung Freitreppe jagten, setzte der vor dem UAZ geparkte Kastenwagen mit durchdrehenden, schwarz qualmenden Rädern zurück, überquerte zunehmend beschleunigend den Zebrastreifen und krachte ungebremst in den roten Bus. Sie hörten trotz ihrer rasenden Fahrt den Lärm berstenden Stahls, splitternden Glases. In diesem Moment leitete Boris die Vollbremsung ein. Sander und Cannon wurden in ihre Gurte gepreßt. Der Fahrer des Kastenwagens war bereits auf die Fahrbahn gesprungen. Er stand mit dem Rücken zu ihnen, wies mit der Linken auf den gewünschten Haltepunkt und schaute unverwandt nach rechts. Den Bruchteil einer Sekunde später hetzte Igor, dicht gefolgt von Double H, um die Motorhaube des Kastenwagens. Der Fahrer bugsierte sie durch die geöffnete Schiebetür ins Wageninnere, schloß diese mit kraftvollem Schwung und hetzte nach vorn, wo ihm Boris, weit über den Beifahrersitz gebeugt, die Tür geöffnet hatte. Er sprang in den Wagen, wurde unvermittelt von der Anfahrbeschleunigung in den Sitz gepreßt. „Mist!“ Er drückte sich hoch, holte unter seinem Hintern das Funkgerät hervor.
    Canon und Sander hatten sich spontan umgedreht, um mögliche Verfolger rechtzeitig zu erkennen. Der Kastenwagen verdeckte den Blick auf den Bus, außer herumliegenden Glassplittern und Teilen einer Stoßstange deutete nichts auf einen Unfall hin. Boris gab Vollgas und jagte die Straße hinunter. Mit quietschenden Reifen schwenkte er in den gewaltig dimensionierten Kreisverkehr ein, nahm erst dort den Fuß vom Gas und verfiel sogleich in eine beinahe gemächliche Gangart. ‚Nicht auffallen‘ war ab jetzt die Devise. Bevor das Lichtspieltheater aus ihrem Blickfeld verschwand, sahen sie, wie erste Leute die Freitreppe hinunter zur Unfallstelle hasteten.
    „Was meinst du, wie lange hat der ganze Zirkus gedauert?“
    Cannon schien den gleichen Gedanken gehabt zu haben. „Drei Sekunden?“
    Sander ließ das Geschehen Revue passieren. „Wenn‘s hoch kommt!“
    Sie verließen den Kreisverkehr, nahmen Kurs auf den Flughafen.
     
     

24. August, 13:20 Uhr Ortszeit; Flug Karaganda/Kasachstan - Termez/Usbekistan
    Sander, mit Cannon während der Fahrt zum Flughafen ständig nach hinten sichernd, hatte noch keine Gelegenheit gefunden, mit Igor zu sprechen. Sie hatten sich nach Verlassen des Busses auf dem Vorplatz heftig umarmt, als sie auch schon von dem kasachischen Piloten