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Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)

Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)

Titel: Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz Justus
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dem Dank seines beängstigenden Anstiegs mannshohen Streb, mit mächtigen Hammerschlägen schwere Meißel in das allenfalls achtzig Zentimeter mächtige Kohleflöz treibend. Weiße Zähne kontrastierten mit kohlegeschwärzten Gesichtern, der Schweiß hinterließ mäanderförmige Bahnen auf schwärzlicher staubbedeckter Haut. Sander fiel der mittelalterliche Holzstich im Büro seines Großvaters ein, in einem Silberbergwerk des Erzgebirges einen vor Ort schuftenden Knappen zeigend, eine Szene, deren Eindringlichkeit gleichermaßen Strapazen wie Gefahren des Bergbaus vermittelte und ihn schon in frühester Kindheit fasziniert hatte. Doch dies hier war kein Bild, das zu seiner Ausmalung der Phantasie des Betrachters bedurfte, das hier war erlebte Realität – die schweißnassen Leiber, das Spiel der matt glänzenden Muskulatur, das unterdrückte Stöhnen im Gleichklang der Hammerschläge, das dumpfe Poltern herabfallenden Gesteins, die staubig-stickige Luft, der Geruch nach Schweiß und Methan. Kein Stich, kein Gemälde dieser Welt, mochten sie noch so vollkommen sein, konnte diese Atmosphäre vermitteln.
    Sander war fasziniert von dem Geschehen, das wie kein anderes die anmaßende Selbstüberschätzung des Menschen verdeutlichte, sich mit der Übermächtigkeit eines in Jahrmillionen gewachsenen, dennoch die Ewigkeit nur streifenden Gebirges anzulegen, gleichzeitig aber den Mut und die Ausdauer versinnbildlichte, mit denen eben jener Mensch Trillionen Tonnen Gesteins Tag für Tag ein paar lausige Brocken abtrotzte. Erst jetzt bemerkte er Weißenfels, der sich zwei Meter unterhalb der beiden Bergleute mit dem Rücken gegen die gegenüberliegende Strebwand stemmte, um der schmerzhaften Kollision mit den bergab stürzenden Gesteinsbrocken zu entgehen. Weißenfels gab zu erkennen, daß er etwas zu berichten hätte und stieg, in dem unter der Last seiner Stiefel abrutschenden Geröll nach Halt suchend, zu ihm hinab. Er war sichtlich aufgeregt. „Was Sie hier sehen, ist schlichtweg sensationell!“ Weißenfels rang nach Atem. Er wies auf die Jutesäcke. „Schauen Sie hier! Das nennt man Quertransport! Schwere Kohlebrocken lassen sie auf den Säcken liegen und zerren sie auf diesen auf die Ladefläche des Schrägaufzugs, und ab geht die Post! Seit mehr als hundert Jahren geht das so. Genial!“
    Er zeigte auf halb gefüllte Säcke, die jenseits des Strebs an den Wänden lehnten. „Da kommt die kleinstückige Kohle rein. Mal im Ernst – was wollen wir hier mechanisieren? Allenfalls ein paar Kompressoren für die Bewetterung und pneumatische Hämmer können wir beisteuern. Für Förderbänder sind die Stollen zu schmal, die Flöze zu steil. Das besorgt hier die Schwerkraft. Offen gesagt – unter diesen Verhältnissen könnten wir das nicht besser als die.“ Während Weißenfels‘ Stimme sich vor freudiger Aufregung fast überschlug, schien Sander Zeit zu benötigen, das Erlebte zu verarbeiten. Jetzt erst begriff er wirklich, was Igbal Khan unter einem ‚archaischen Bergwerk‘ verstand. Vor allem aber empfand er eines – ungeheuren Respekt vor der Leistung der hier schuftenden Bergleute. „Kommen Sie, mehr brauche ich nicht zu sehen, ich habe mir ein Bild gemacht. Fahren wir hoch, treten wir den Rückmarsch an!“ Sander schauderte bei diesem Gedanken; er sah sich mit schmerzenden Oberschenkeln im Entengang bis an das Ende der Welt hetzen. Sie winkten zum Abschied den Bergleuten zu, ernteten deren anerkennendes Lächeln – noch nie hatte sich ein Europäer bis hierhin gewagt –, dann gingen sie zum Schrägaufzug.
    „Sie zuerst!“ Weißenfels genoß es, unter Tage die Kommandogewalt zu haben. Sander fand den Gedanken jedoch nicht unsympathisch, diesmal als erster die Reise anzutreten. Nach einer Ewigkeit oben angekommen, halfen ihm die Pakistaner vom Wagen, den sie sogleich wieder auf die Reise in die Tiefe schickten. Die beiden setzten sich auf ihr Bänkchen, während sich Sander an der gegenüberliegenden Kavernenwand eine ebene Stelle suchte, wo er es sich leidlich bequem machen konnte. Schließlich hatte er gefunden, wonach er suchte. Er setzte sich, streckte die müden Glieder; er würde die kurze Erholung brauchen, um den Strapazen des Rückweges gewachsen zu sein. Schräg gegenüber unterhielten sich mit leiser Stimme die beiden Bergleute. Ihr Licht warf wechselnde Schatten auf das Gestein der Nische und zeichnete sich ständig ändernde Konturen in ihre Gesichter. Die Szene hatte etwas Koboldhaftes, es

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