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Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)

Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)

Titel: Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz Justus
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allenthalben Schmerzen, erst zögerlich, mit jeder Sekunde intensiver werdend, schließlich dumpf pulsierend. Vorsichtig betastete er Glieder, Körper und Gesicht. Er zuckte bei der Berührung des linken Jochbeins, fühlte klebrig das Blut. Er tastete über seine geschlossenen Augen. Deutlich spürte er mit den Fingerkuppen die Wölbung der Augäpfel, die wiederum den tastenden Druck bestätigten. Die Augen waren unverletzt! Es war nur ein kurzer Moment aufkommender Freude, dann die bohrende Frage: Warum sah er nicht? Hatte ihm der Schock das Augenlicht genommen? Wie sollte er jemals hier herausfinden? In seiner Not schrie er in die Richtung, in der er die Pakistaner vermutete. Seine Schreie verhallten ungehört. Vereinzelt schlugen Steinfragmente auf, wahrscheinlich ausgelöst vom Schall. Das Echo verlor sich in der Tiefe der Stollen, dann herrschte wieder diese unsägliche Stille. Einzig das pulsierende Blut rauschte in den Ohren. Warum antworteten die Pakistaner nicht? Hatten sich die Burschen etwa abgesetzt, ihn hier allein zurückgelassen? Er schrie sich die Panik aus dem Leib: „Feiglinge! Holt mich raus! Scheißkerle!“ Schrie es und schrie es immer wieder, bis er schwer atmend innehielt, weil der schmerzende Brustkorb ihm den Atem nahm.
    Er setzte sich, mit zusammengebissenen Zähnen den Schmerz ignorierend, aufrecht und begann, auf die Hände gestützt Stück für Stück ein wenig zur Seite zu rücken, um außerhalb des umherliegenden Gerölls ebenen Boden zu erreichen. Dort tastete er um sich, soweit er reichen konnte – nichts als staubiger Boden, nirgends eine Wand, nirgendwo etwas, woran er sich hätte orientieren können. Wo, zum Teufel, war das Feldbahngleis? Wo die Kavernenwand, der Stollen, der Schrägaufzug, die Nische der beiden Bergleute? Er war allein inmitten eines schwarzen Nichts, in dem die Dimensionen ihre Bedeutung verloren hatten. Abgrundtiefe Hoffnungslosigkeit ergriff ihn. Warum hatte ihn nicht ein Fels erschlagen? Warum mußte er an diesem Ort, unter diesen unwürdigen Bedingungen, elendig zugrunde gehen? Wer würde es je erfahren? Wie lange würde sein Todeskampf dauern?
    Er schüttelte sich, als wollte er sich von der Hoffnungslosigkeit befreien. Nein, er würde sich nicht aufgeben! Er war bereit, den Kampf aufzunehmen. Er beschloß zu handeln, die Dinge, mochten sie noch so aussichtslos sein, wieder in die Hand zu nehmen. Aus einer Eingebung heraus faßte er spontan einen Plan. Auf dem Boden sitzend, wühlte er im Staub, bis er den ersten Stein spürte. Er legte diesen zwischen seine Oberschenkel und durchwühlte den Staub von neuem. So sammelte er Stein um Stein, bis eine stattliche Anzahl beisammen war. Wenn er schon nicht sehen konnte, so mußte das Gehör ihm helfen. Er warf Stein um Stein, jeweils die Richtung in gleichbleibendem Drehsinn ein Stück weit variierend. Würde es ihm gelingen, das aus der Verankerung gerissene Aufzugsgleis zu treffen, dann wüßte er, welche Richtung er einzuschlagen hätte, um dem Berg zu entkommen. Euphorie kam auf, kurz nur, um unmittelbar darauf tiefer Niedergeschlagenheit zu weichen. Glaubte er eben noch, den Weg aus dem Höllenverlies gefunden zu haben, so stellte sich unvermittelt die Frage, ob der Aufzugschacht überhaupt noch passierbar war.
    Trotzig nahm er den nächsten Stein. Der Plan war schlicht: Akustik mußte das Sehvermögen ersetzen! Die unterschiedlichen Zeiten bis zum jeweiligen Aufprall zeichneten allmählich ein Bild seiner Umgebung. Er befand sich offensichtlich im Übergangsbereich des Stollens zur Kaverne, in der das ebenerdig verlegte Feldbahngleis in einer hölzernen Drehscheibe unmittelbar vor dem quer verlaufenden Aufzugschacht endete. Doch wo befand er sich genau? Wo war die Wand, an der er lehnte, bevor das Grauen begann? Er wagte nicht, seinen Platz zu verlassen, schob sich allenfalls ein Stück hin und her, um zusätzliche Steine aufsammeln zu können. Dort, wo dem Wurf unmittelbar der Aufprall folgte, war der erste Anhaltspunkt: die gegenüberliegende Stollenwand. Doch war es – in Blickrichtung zum Schrägaufzug – die rechte, die linke? Abwechselnd warf er nun Steine nach rechts und links, bis ihm die unterschiedlichen Aufprallgeräusche den Eindruck vermittelten, daß sich die Stollenwand, an der er vor dem Beben lehnte, in seinem Rücken befand. Um der totalen Finsternis eine Orientierung abzuringen, legte er mit Steinen, einer Windrose gleich, auf dem Boden Markierungen an. Ein Stein wies in die

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