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Das Scarlatti-Erbe - Ludlum, R: Scarlatti-Erbe

Das Scarlatti-Erbe - Ludlum, R: Scarlatti-Erbe

Titel: Das Scarlatti-Erbe - Ludlum, R: Scarlatti-Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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einen weiblichen Erzengel der Finsternis gegeben hatte, dann sie. Er gab dem Fahrer den Namen ihres Hotels an.
    » Il n’y a plus de bagage, monsieur? «
    »Nein, das kommt nach«, antwortete Elizabeth in englischer Sprache.

    Die alte Frau hatte gerade ein erschreckendes Erlebnis gehabt, und er beschloß daher, Hannah nicht zu erwähnen, bevor sie das Hotel erreicht hatten. Zuerst sollte sie sich beruhigen. Und doch fragte er sich, ob er es war oder Elizabeth, die sich beruhigen mußte. Seine Hände zitterten immer noch. Er sah zu Elizabeth hinüber. Sie starrte noch immer vor sich hin, aber sie sah nichts, das jemand anderer hätte sehen können.
    »Sind Sie in Ordnung?«
    Sie ließ ihn fast eine Minute lang auf die Antwort warten.
    »Mr. Canfield, auf Ihnen lastet eine schreckliche Verantwortung. «
    »Ich bin nicht sicher, daß ich Sie verstehe. «
    Sie drehte sich herum und sah ihn an. Ihre ganze Großspurigkeit war verflogen und damit auch das Gefühl der Überlegenheit, das sie bisher an den Tag gelegt hatte.
    »Lassen Sie nicht zu, daß sie mich töten, Mr. Canfield. Lassen Sie nicht zu, daß sie mich jetzt töten. Sie müssen warten bis Zürich. Nach Zürich können sie tun, was sie wollen.«

42.
    Elizabeth und Canfield verbrachten drei Tage und drei Nächte in ihren Zimmern im Hotel D’Accord. Canfield war während der ganzen Zeit nur ein einzigesmal ausgegangen — und hatte zwei Männer entdeckt, die ihm folgten. Sie ließen ihn unbehelligt, und es kam ihm in den Sinn, daß sie ihn gegenüber ihrem Hauptziel Elizabeth für zweitrangig hielten. Offenbar wollten sie keinen Einsatz der Genfer Polizei riskieren, die als äußerst schlagkräftig galt – und allen Elementen gegenüber feindselig, die das empfindliche Gleichgewicht ihrer neutralen Stadt störten. Seine Erfahrung lehrte ihn, daß er in dem Augenblick, wo sie gemeinsam auftraten, mit einem nicht weniger bösartigen Angriff zu rechnen hatte als jenem, der auf dem Genfer Bahnhof auf sie verübt worden war. Wenn er jetzt nur Ben Reynolds hätte verständigen können
... Aber er wußte, daß das nicht ging. Man hatte ihm den Befehl erteilt, die Schweiz nicht zu betreten. Er hatte in seinen Berichten alle wichtigen Informationen ausgeklammert. Dafür hatte Elizabeth gesorgt. Die Gruppe 20 wußte praktisch nichts über die augenblickliche Situation und die Motive der Beteiligten. Wenn er Hilfe anforderte, würde er eine Erklärung abgeben müssen, zumindest teilweise, und eine solche Erklärung würde zu einer sofortigen Einschaltung seitens der Botschaft führen. Reynolds würde nicht auf Formalitäten warten. Er würde Canfield gewaltsam festsetzen und isoliert halten.
    Die daraus erwachsenden Folgen waren leicht vorherzusehen. Wenn man ihn aus dem Spiel nahm, würde Elizabeth nicht die leiseste Chance haben, Zürich zu erreichen. Scarlett würde sie in Genf töten. Und das zweite Opfer würde dann Janet in London sein. Sie konnte nicht ewig im Savoy bleiben. Derek konnte seine Sicherheitsvorkehrungen nicht bis in alle Ewigkeit aufrechterhalten. Am Ende würde sie abreisen, oder Derek würde schließlich die Geduld verlieren und unvorsichtig werden. Dann würde auch sie getötet werden.
    Schließlich waren da noch Chancellor Drew, seine Frau und sieben Kinder. Es würde hundert Gründe für sie geben, den Zufluchtsort in Kanada zu verlassen. Und dann würde es zu einem Massaker kommen. Ulster Stewart Scarlett würde gewinnen.
    Bei dem Gedanken an Scarlett war Canfield fähig, das, was noch an Zorn in ihm verblieben war, heraufzubeschwören. Es reichte fast aus, um seine Furcht und seine Depressionen auszugleichen. Fast.
    Er betrat das Wohnzimmer, das Elizabeth in ein Büro verwandelt hatte. Sie saß am Tisch und schrieb.
    »Erinnern Sie sich an die Haushälterin im Haus Ihres Sohnes? « fragte er.
    Elizabeth legte ihren Bleistift beiseite. Das war eher ein Akt momentaner Höflichkeit als eine Geste der Besorgnis. »Ich habe sie ein paarmal gesehen. Ja.«
    »Woher kommt sie?«
    »Soweit ich mich erinnere, hat Ulster sie aus Europa mitgebracht.
Sie hat ihm den Haushalt in einer Jagdhütte in – in Süddeutschland geführt. Warum fragen Sie?«
    Jahre später würde Canfield darüber nachdenken, daß er versucht hatte, die richtigen Worte zu finden, um Elizabeth Scarlatti zu erklären, daß Hannah in Genf war — und daß dies ihn dazu veranlaßte, das zu tun, was er tat. Nämlich sich in diesem Augenblick von einem Ort zu einem anderen zu begeben.

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