Das Scarlatti-Erbe - Ludlum, R: Scarlatti-Erbe
bleiben. Sie gehen Ihrer Wege, und ich werde einfach meinen Vorgesetzten berichten, daß die Waterman
Trust-Bank ein einziger Dunghaufen ist. Abgesehen von recht umfangreichen, der Bank zustehenden Provisionen, und ohne jetzt irgendwelche Gedanken an die Firmen zu verschwenden, die recht nervös werden könnten, wenn sie darüber nachdenken, wem jetzt was gehört – es könnte sogar einen Run auf einige Aktien geben –, verfüge ich über Kenntnisse, die ich sofort den Behörden mitteilen sollte.«
»Das können Sie nicht! Das dürfen Sie nicht!«
»Warum nicht?« Jefferson Cartwright hob beide Hände.
Elizabeth wandte sich von ihm ab und versuchte Ordnung in ihre Gedanken zu bringen. »Schätzen Sie ab, was verschwunden ist, Mr. Cartwright...«
»Ich kann das abschätzen, was wir bisher gesehen haben. Elf Jahre bei etwa dreieinhalb Millionen pro Jahr — das beläuft sich auf runde vierzig Millionen. Aber wir haben möglicherweise erst angefangen.«
»Nun, dann teilen Sie mir möglichst bald mit, wie groß der Gesamtschaden ist. Ich brauche Sie wohl nicht darauf hinzuweisen, daß ich Sie vernichten werde, wenn Sie zu irgend jemandem ein Wort sagen. Wir werden zu einer befriedigenden Einigung kommen.« Sie wandte sich langsam um und sah Jefferson Cartwright an. »Sie sollten wissen, Mr. Cartwright, daß Sie zufällig in den Besitz von Informationen gelangt sind, die Sie weit über Ihre Talente oder Fähigkeiten hinausheben. Wenn man soviel Glück hat, muß man vorsichtig sein.«
Elizabeth Scarlatti verbrachte eine schlaflose Nacht.
Jefferson Cartwright verbrachte ebenfalls eine schlaflose Nacht. Aber nicht im Bett. Er verbrachte sie auf einem Hocker vor einem kleinen Tischchen, umgeben von Papieren.
Die Zahlen wuchsen, während er sorgfältig die Berichte der Scarlatti-Fonds mit den Schubladen der Aktenschränke verglich.
Jefferson Cartwright glaubte, er müßte den Verstand verlieren. Ulster Stewart Scarlatti hatte Effekten im Wert von über zweihundertsiebzig Millionen Dollar entfernt.
Er addierte die Zahlen und addierte sie ein zweitesmal.
Ein Betrag, der eine Börsenkrise auslösen würde... Ein internationaler
Skandal, der die Scarlatti-Firmen zerstören könnte, wenn er bekannt würde. Und er würde bekannt werden, wenn die Zeit kam, um die ersten der fehlenden Schuldverschreibungen einzulösen. Maximal in knapp einem Jahr.
Jefferson Cartwright faltete das letzte Blatt zusammen und schob es in die Innentasche seines Jacketts. Er drückte den Arm gegen die Brust, vergewisserte sich, daß die Papiere sicher verwahrt waren, und verließ die Stahlkammern.
Er gab dem Wachmann ein Pfeifsignal. Der Mann hatte auf einem schwarzen Ledersessel vor der Tür gedöst.
»Oh, mein Gott, Mr. Cartwright, haben Sie mich erschreckt! «
Cartwright trat auf die Straße hinaus.
Er blickte zu dem weißlich-grauen Himmel auf. Es würde gleich Morgen sein. Und das Licht war sein Signal.
Denn er – Jefferson Cartwright, fünfzig Jahre alter ehemaliger Footballspieler der Universität von Virginia, der ursprünglich Geld geheiratet und es dann verloren hatte — trug in seiner Tasche einen Blankoscheck für alles, das er sich je gewünscht hatte.
Er befand sich wieder im Stadion, und die Menge jubelte ihm zu.
Es gab jetzt nichts mehr, das ihm versagt war.
13.
Um zwanzig Minuten nach ein Uhr morgens saß Benjamin Reynolds bequem in einem Lehnsessel seiner Wohnung in Georgetown. Auf seinem Schoß lag einer der Aktenordner, die das Büro des Generalstaatsanwalts der Gruppe 20 geschickt hatte.
Insgesamt waren es sechzehn Ordner gewesen, und er hatte den Stapel gleichmäßig zwischen Glover und sich selbst aufgeteilt.
Bei dem augenblicklich herrschenden Druck seitens des Kongresses, insbesondere von Senator Brownlee aus New York, würde das Büro des Generalstaatsanwalts jeden einzelnen
Stein umdrehen. Wenn der Scarlatti-Sohn sich sozusagen in Luft aufgelöst hatte, konnten die Männer der Staatsanwaltschaft wenigstens Berichte schreiben, die diese Tatsache erklärten. Und weil die Gruppe 20 sich — wenn auch nur kurz - mit dem Leben von Ulster Scarlett befaßt hatte, würde man auch von Reynolds erwarten, daß er etwas hinzufügte. Selbst wenn es unbedeutend war.
Reynolds verspürte leichte Schuldgefühle bei dem Gedanken, daß Glover sich mit demselben Unsinn befassen mußte.
Wie alle Berichte, die sich mit Nachforschungen nach verschwundenen Personen befaßten, war die Akte mit Trivialitäten gefüllt —
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