Das scharfe Duo ROTE LATERNE Band 10 (Rote Laterne Roman) (German Edition)
einer Freundin. Während ihrer Abwesenheit betreue ich hier alles. Katze, Vogel und so weiter.«
»Ich sehe keinen Vogel!«
»Nicht?«
»Nein.«
»Dann muss ihn, äh - Babsi, so heißt meine Freundin, gestern Abend weggeschafft haben. Babsi ist nämlich vereist. Sie ist in die Karibik geflogen.«
»Aber sie ist 'ne Nutte!«
»Sag das doch nicht so hart«, rügte Silke. »Es ist ein Beruf wie jeder andere. Warst du noch nie bei einer Dirne? Na ja, bei deinem Aussehen laufen dir die Mädchen nach.«
»Wenn das ein Kompliment war, dann danke ich schön«, sagte Hajo und blitzte sie mit seinen hellen Augen an. »Karibik, tolle Wohnung und vermutlich noch einen dicken Schlitten im Stall. Deine Freundin muss ja ganz schöne Umsätze machen.«
»Macht sie auch«, sagte Silke frech. »Willst du was trinken?«
»Was gibt es denn?«
»Was dein Herz begehrt«, sagte das blonde Mädchen und ging zum Barschrank. Hajo nahm einen Whisky.
»Ich trinke so früh eigentlich nicht.«
»Warum tust du es jetzt? Ist es ein Schock für dich, eine solche Wohnung betreten zu haben?«
»Sei nicht kindisch«, meinte er. »Ich freu mich einfach, dich mal wiederzusehen. Du bist ja weg von der Uni. Hättest ja was sagen können. Ich wäre gerne zur Nachhilfe bereit gewesen.«
»Ich war in Sexualkunde nie die Schlechteste«, meinte Silke ironisch. »Darauf nämlich haben sich deine Stunden beschränkt oder sie sollten sich wohl darauf beschränken. Das letzte Mal hattest du mir ein paar teure Strumpfhosen ramponiert.«
»Ich hätte mir die Fingernägel schneiden sollen«, sagte er frech grinsend. »Nein, es ist echt toll, dich wiederzusehen, Silke. Du siehst sehr gut aus.«
»Danke«, sagte sie. In diesem Augenblick läutete das Telefon. Silke stürzte zum Apparat, achtete aber nicht darauf, dass die Mithöreinrichtung eingeschaltet war. »Hallo?« meldete sie sich.
»Hier ist Nobby«, sagte eine Männerstimme. »Kann ich heute Abend kommen, bin ganz bockig auf euch.«
»O Gott«, sagte Silke und fingerte nach dem Schalter für den Lautsprecher. Ihr Gesicht war dunkelrot geworden. »Rufen Sie doch in 'ner halben Stunde noch mal an«, sagte sie dann und legte auf. »Tja«, meinte sie, zuckte die Schultern und ließ die Arme schlenkern. »Das war Kundschaft - für Babsi.«
»Er sagte 'euch', hast du das nicht gehört? Machst du da vielleicht manchmal mit?«
»Ich? Iwo, da ist manchmal - äh, ja, Marlene ist manchmal mit dabei. Eine Kollegin von Babsi. Ach Gott, ist denn das alles so wichtig?«
»Eigentlich nicht«, meinte Hajo und kam langsam auf sie zu. Als er so vor ihr stand, ein Leuchten in den Augen, spürte Silke eine mächtige Schwäche in den Knien. »Du«, sagte er mit heiserer, erregter Stimme. »Ich habe heute meine Fingernägel geschnitten.«
»Und ich habe keine Strumpfhosen an«, flüsterte sie zurück.
Dann küsste er sie. Silke ließ es einfach geschehen. Sie genoss es, ein echtes Gefühl zu empfinden; sie genoss einfach die Zuneigung, die ihr Hajo Lüthers entgegenbrachte.
Von Liebe sprachen sie nicht. Aber später, als Silkes Kopf an Hajos Brust lag, brachte das Mädchen die Rede darauf.
»Es ist schon komisch«, meinte sie. »Da sieht man sich nach Monaten und springt gleich ins Bett.«
»Liebe«, sagte Hajo.
»Bei dir?«
»Bei dir etwa nicht?«
»Doch«, gab sie zu. »Aber trotzdem musst du jetzt verschwinden!«
»Warum?«
»Weil ich putzen muss.«
»Ist doch alles sauber.«
»Aber Marlene könnte kommen. Ich will das nicht.«
»Aber ich darf dich doch Wiedersehen?« fragte Hajo. Er guckte sie an, so treu wie ein Dackel.
»Natürlich«, versprach sie. »In meiner Wohnung in Eppendorf. Ich schreibe dir die Adresse auf, ja?«
Sie schrieb, während er sich anzog. Unter der Tür küsste er sie noch einmal leidenschaftlich. Nachdem seine Schritte im Treppenhaus verklungen waren, verspürte Silke ein etwas schales Gefühl. Nun würde ihr der neu gewählte Beruf nicht mehr so leichtfallen.
Es kam vorläufig zu keinem Wiedersehen zwischen Hajo und Silke. Die Geschäfte in der Wohnung in City-Nord liefen plötzlich überraschend gut an. Die jungen Dirnen hatten es nunmehr vorwiegend mit Stammkunden zu tun, die fast regelmäßig wiederkehrten. Lang und heiß waren die Nächte, so dass die Mädchen tagelang ihre eigenen Wohnungen nicht wiedersahen, sondern der Einfachheit halber gleich in den Geschäftsräumen, wie sie das zu bezeichnen pflegten, übernachteten.
Morgens frühstückten sie gut,
Weitere Kostenlose Bücher