Das scharze Decameron
Daga dieses Helden Herr werden kann?« Der Marabut dachte lange nach.
Nach einiger Zeit sagte der alte Marabut: »Morgen wird Held Sira Maga Njoro noch einmal vor die Tore der Stadt Keke reiten und mit den Kriegern des Königs kämpfen. Man soll in der Nacht einen Pfeil aus Kupfer schmieden. Man soll einem Jepege (Albino) einen Bogen und den Kupferpfeil geben und soll ihn noch in dieser Nacht auf dem Tamarindenbaum verstecken. Wenn dann Sira Maga Njoro morgen wieder aufbricht und gegen den König reitet, dann soll der Jepege den Pfeil von oben her auf ihn herabschießen. Trifft er, so wird Sira Maga Njoro sterben, trifft er nicht, stirbt Sira Maga Njoro nicht auf diese Weise, dann ist nichts zu machen.« König Daga sagte: »So soll es geschehen.«
Sogleich schmiedeten sie den kupfernen Pfeil. Sie gaben einem Jepege Bogen und Kupferpfeil und setzten ihn noch in der Nacht auf den Tamarindenbaum.
Am anderen Tage kleidete sich Sira Maga Njoro wieder in sein rotes Gewand. Er ließ das Tor öffnen und ritt auf den Feind zu. Rechts und links fielen die getroffenen Feinde tot oder zu Tode verwundet zu Boden. Die tüchtigsten Scharenführer sanken, die mächtigsten Haufen zerstoben unter der Wucht seines Ansturmes. Er kam bis an den Tommibaum. Der König Daga und König Ardos Bruder waren geflohen. Sira Maga Njoro griff nach einem Zweig des Tamarindenbaumes. Der Jepege schoß, er traf. Der Held fühlte den Tod. Er riß den Zweig ab und sprengte zurück nach Keke. Man schloß hinter ihm das Tor. – Dann sank er tot zu Boden.
Sira Maga Njoro war gestorben. Seine Leute rissen die Stadt an allen Orten auf, um Hügel, wie frische Gräber, zu bilden. An einem geheimen Ort bestatteten sie aber Sira Maga Njoro – ganz im geheimen, damit nie jemand merke, wo, wie und ob Sira Maga Njoro gestorben sei. Denn man wußte, daß König Daga die Gräber öffnen lassen würde, um Sira Maga Njoro zu finden. Drei Tage lang blieben die Leute in Keke untätig. Dann sagte Mussa Ardo: »Ich will für meinen Bruder zurückkehren, gebt mir seine roten Kleider!«
Als Sira Maga Njoro in die Stadt Keke zurückgejagt war, fragte alle Welt den Jepege: »Hat dein Pfeil getroffen oder hat er nicht getroffen?« Jepege sagte mit aller Bestimmtheit: »Ich habe es gesehen, er hat getroffen.« König Daga schüttelte den Kopf und sagte: »Sira Maga Njoro hat den Zweig vom Tamarindenbaum abgebrochen und ist wohlgemut in die Stadt zurückgeritten.« Der Jepege sagte: »Wir werden es ja sehen, ob der Held aus der Stadt kommt oder nicht!« Als er am anderen Tage nicht auf dem Kampf platze erschien, sagten die Leute: »Er ist doch wohl gestorben.« Als er am zweiten Tage nicht auf dem Kampfplatz erschien, sagten sie alle: »Also ist es sicher, daß er gestorben ist.« Als er am dritten Tage nicht kam, riefen alle: »Sira Maga Njoro ist gestorben! Sira Maga Njoro ist gestorben!«
Am vierten Tage wurden die Tore der Stadt geöffnet. Ein Reiter im roten Gewände kam herausgeritten, der sprengte auf einen Heerhaufen zu, tötete Leute zur Rechten und zur Linken, warf andere tapfere Helden von den Pferden, sprengte zum Tommibaum, so daß König Daga und der Bruder König Ardos flohen und brach einen Zweig der Tamarinde ab. Darauf riefen alle feindlichen Haufen: »Sira Maga Njoro ist nicht gestorben. Sira Maga Njoro lebt noch! Sira Maga Njoro ist nicht gestorben!« Der Held im roten Gewand ritt gelassen in die Stadt zurück. Keiner unter den feindlichen Mannen wußte, daß das nicht Sira Maga Njoro, sondern dessen Bruder Mussa Ardo gewesen war.
Dasselbe wiederholte Mussa Ardo am anderen und an einem dritten Tage. Dann hatte sich des Heeres von Segu große Furcht bemächtigt. Mussa Ardo sammelte aber nachts alle seine Leute und verließ mit ihnen Keke. Er ging über den Strom und ritt von dannen.
Als König Daga und der Bruder König Ardos merkten, daß die Stadt verlassen war, brachen sie das Tor auf und rückten in die Stadt hinein. Im Innern fanden sie viele aufgeworfene Grabhügel; die öffneten sie, um zu sehen, ob Sira Maga Njoro darin bestattet sei oder nicht. Sie fanden aber Sira Maga Njoros Leiche nicht; denn sie war allzu gut verborgen. Somit erfuhr der König nicht, ob der Held sein Ende genommen habe oder nicht.
Während des Krieges mit König Daga von Segu und dem Bruder des Königs Ardo war Polor nicht in Keke gewesen, sondern er war mit fünfunddreißig Reitern in ein anderes Land gefahren. Als er nun nach Keke zurückkam, vernahm er alles, was sich
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