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Das Schattenbuch

Das Schattenbuch

Titel: Das Schattenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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konnte die Suche
weitergehen. Und Arved wäre glücklich. Bevor sie
wusste, was sie tat, saß sie in ihrem Wagen und war auf der
Fahrt nach Kornelimünster.
    Noch in Trier bemerkte sie, dass sie besser nicht gefahren
wäre. Der Wein hatte sie unternehmungslustig, aber auch
unaufmerksam gemacht. Wenn sie jetzt in eine Fahrzeugkontrolle
geriet, wäre sie ihren Führerschein los. Sie stellte
den Wagen auf den Parkplatz eines Baumarktes, kurbelte das
Fenster herunter und holte tief Luft.
    Weiter!
    Diesmal nahm sie ab Bitburg die Autobahn, verließ sie
bei Malmedy, raste auf der Nationalstraße 68 durch Belgien
in Richtung Eupen, dann wieder über die Autobahn bis
Aachen-Brand und fuhr die wenigen Kilometer zurück nach
Süden, bis sie wieder auf dem Korneliusplatz in
Kornelimünster stand. Manchmal hatte man sie angehupt, weil
sie zu dicht auffuhr oder an unmöglichen Stellen
überholte. Sie atmete auf, als sie den Wagen in der kleinen
Gasse unmittelbar vor Vampyrs Haus parkte.
    Inzwischen war der Weinrausch völlig verflogen, nur ein
kleiner Kopfschmerz von der anstrengenden Fahrt war übrig
geblieben. Sie stieg aus und stand vor dem heruntergekommenen
Gebäude.
    Als sie klingeln wollte, öffnete sich die Tür. Ein
Mann starrte sie an. Es war nicht Valentin Maria Pyrmont, genannt
Vampyr. Sie hatte ihn noch nie gesehen. Er runzelte die Stirn.
»Was wollen Sie?«, fragte er barsch.
    Lioba betrachtete ihn. Er war ziemlich groß, ziemlich
schwer, glatt rasiert, hatte Schweinsaugen und aufgeblasene
Wangen. Er trug einen Nadelstreifenanzug, der zu ihm passte wie
ein Buch zu einem Schimpansen.
    »Ich möchte mit Valentin Maria Pyrmont
sprechen«, sagte Lioba fest und hielt dem Blick des Mannes
mühelos stand.
    »Ich auch.«
    »Ist er denn nicht zu Hause? Sind Sie sein
Vermieter?«, riet Lioba aufs Geratewohl.
    Der Mann stutzte. »Woher… Ja. Und wer sind
Sie?« Er blieb auf der Schwelle stehen wie der Wächter
eines Schatzes.
    Lioba stellte sich vor und erklärte, sie wolle Pyrmont in
einer künstlerischen Angelegenheit sprechen. »Wo ist
er?«, fragte sie.
    »Wenn ich das wüsste. Der Hund schuldet mir drei
Monatsmieten. Meine Geduld ist am Ende. Ich bin bald jeden Tag
hergekommen in der letzten Zeit, aber er ist nie da.«
    Lioba hob eine Braue. »Gestern haben wir mit ihm
gesprochen.«
    Der Mann sah sie an, als habe sie gerade behauptet, zur
Hochzeit des Papstes eingeladen worden zu sein. »Ich war
doch gestern auch hier. Alles verlassen! Der Kerl ist wer
weiß wo.«
    Es wurde immer sonderbarer. »Aber seine Sachen sind doch
noch da, oder etwa nicht?«
    Der Vermieter zeigte missmutig nach drinnen. »Wenn Sie
den Dreck meinen, haben Sie Recht. Sehen Sie sich doch
um!«
    Lioba folgte seiner Einladung. Das Zimmer, in dem sie mit
Vampyr gesprochen hatten, sah noch genauso aus wie gestern. Auch
der Unrat in der Diele war noch da. Aber als der Vermieter Lioba
in die anderen Zimmer des Erdgeschosses und des ersten Stocks
führte, musste sie erstaunt feststellen, dass sie vollkommen
leer waren. Wieso war Vampyr gestern im Nebenzimmer verschwunden,
angeblich um den Brief zu suchen, und wieso hatte es geraschelt,
als ob er Massen von Papier bewege? Lioba kehrte in den Raum
zurück, in dem sie mit Valentin Maria Pyrmont gesprochen
hatten. Sie bemerkte, dass der Bresdin noch da war, genau wie der
Piranesi; sie waren zum Teil unter Abfall begraben.
    »Können Sie mir den Mann beschreiben, den Sie hier
gesehen haben?«, fragte der Vermieter, der hinter Lioba
stand.
    Sie entsprach seiner Bitte, so gut sie es konnte, und drehte
sich dabei zu ihm um.
    »Das scheint er zu sein, aber in meiner Gegenwart hat er
nie so eine Blindenbrille getragen«, sagte er
schließlich und massierte sich die aufgeworfene Unterlippe.
»Was soll ich denn jetzt machen? Ich werd das Haus
anderweitig vermieten, das darf ich nach drei Monaten
Rückstand. Und ich hab ein Pfandrecht an seinen Sachen. Aber
sehen Sie sich bloß den Müll an.«
    Lioba brauchte keine zwei Sekunden für ihre Entscheidung.
»Ich entsorge Ihnen den Müll und zahle Ihnen sogar
noch etwas dafür. Vielleicht kann ich einige seiner
Kunstwerke ja verkaufen.«
    Er sah sie zweifelnd an. »Er hat mir seinen Quatsch
damals gezeigt. Da liegt ja eins davon.« Er ging zu einem
Stapel, der bedrohlich nah an dem Piranesi lag, und hob einen
schrecklichen Holzschnitt auf. Das Blatt zeigte eine nackte
Frauengestalt, die wohl an Modigliani

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