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Das Schattenbuch

Das Schattenbuch

Titel: Das Schattenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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Situation in
einer der beiden verbleibenden Geschichten des Schattenbuches
gab, aber sie konnte sich nicht daran erinnern. Lässt du
dein Leben inzwischen von einem Haufen bedruckten Papiers
bestimmen?, schimpfte sie stumm mit sich. Sie wünschte, sie
säße zwischen ihren Büchern.
    Der Wagen hielt in der Salvianerstraße vor einem
großen, grauen Gebäude. Lioba atmete auf, als sie sah,
dass es das Polizeipräsidium war. Plötzlich fiel von
den beiden grauen Männern, die nun die hinteren Türen
des Wagens aufrissen, alles Unheimliche ab. Sie waren nichts
anderes als Kriminalbeamte. Fast hätte Lioba aufgelacht. Ein
Blick auf Arved jedoch genügte, um ihre Erleichterung zum
Zerplatzen zu bringen.
    Er starrte vor sich, völlig apathisch, als gebe es
für ihn keine Rettung mehr. Mit den hinter dem Rücken
gefesselten Händen sah er aus wie ein gottergebener Mensch,
der seine Hinrichtung erwartet. Ob er die Tat doch begangen
hatte?, schoss es Lioba durch den Kopf. Nein, nicht Arved. Er war
dazu nicht in der Lage. Er hatte ihr die Situation erklärt,
hatte ihr gesagt, wie es zu Manfreds Tod gekommen war, auch wenn
kein Gericht der Welt ihm das glauben würde. Wahrscheinlich
lag darin der Grund für seine Verzweiflung.
    Sie wurden durch den Eingang und das Foyer in den ersten Stock
geführt, wo auf den Fluren eine Betriebsamkeit wie in einem
Ameisenbau herrschte. Einer der Grauen riss eine Tür auf,
und der andere drängte Arved und Lioba in den Raum
dahinter.
    Sie wurden von einer Frau mit einem Gesicht wie eine Bulldogge
empfangen, die den beiden die Fingerabdrücke abnahm, wozu
ihnen die Handschellen entfernt wurden. Danach legten die beiden
Männer sie ihren Gefangenen sofort wieder an, zerrten sie
aus dem Zimmer auf den Flur und schleiften sie einige Türen
weiter.
    Der Raum war leer bis auf einen riesigen Spiegel an der Wand,
einen Tisch und vier Stühle. Arved und Lioba wurden
nebeneinander auf zwei der Stühle gesetzt. Die beiden
Männer stellten sich ihnen gegenüber. Lioba warf einen
Blick auf den Spiegel. Dahinter war bestimmt ein kleiner
Beobachtungsraum. Hinter den Spiegeln…
    Einer der beiden Männer – er war geringfügig
größer als der andere und hatte eine etwas höhere
Stirn – stützte sich mit den Händen auf der
Tischplatte ab und beugte sich vor.
    »Da haben wir ja ein nettes Pärchen«, sagte
er, es war der mit der tiefen Stimme. Sie vibrierte im Raum wie
eine Drohung. »Ihr habt ihn regelrecht
zerrissen.«
    »Wen?«, fragte Lioba schnippisch.
    »Kennen Sie Ihren Ex-Mann nicht mehr?«, mischte
sich der Graue mit der hohen Stimme ein. Er stand mit
verschränkten Armen ein wenig hinter seinem Kollegen.
    Sie hatten schnell gearbeitet und gut recherchiert. Der
Schwere fuhr fort: »Wollen Sie etwa leugnen?«
    Da flog die Tür auf, und ein langer, dünner Mann mit
zotteligen schwarzen Haaren kam herein und wedelte mit einem
Blatt Papier. »Hundertprozentige Übereinstimmung,
Chef«, sagte er aufgeregt und drückte dem Schweren das
Blatt in die Hand. Der Kommissar – oder welche Bezeichnung
er immer haben mochte, er hatte es nicht für nötig
befunden, sich oder seinen Kollegen vorzustellen – grinste
bis zu den Ohren. »Sehr schön. Leugnen hat damit
keinen Zweck mehr.« Er baute sich vor Arved auf.
»Ihre Fingerabdrücke sind überall am Tatort
gefunden worden. Außerdem hat man jemanden wie Sie
beschrieben, als sie das Haus verließen. Und Ihr Auto ist
ja auch sehr auffällig, da hat es Ihnen nichts genutzt, eine
Straße entfernt zu parken.«
    Am liebsten hätte sich Lioba schützend vor Arved
geworfen, doch er musste sich selbst verteidigen.
    Ohne den Blick zu heben, sagte er: »Ich habe Manfred
Schult nicht getötet.«
    »Und was ist mit dem Blut an Ihrer Kleidung? Wir werden
es gleich analysieren lassen.«
    »Das ist nicht nötig«, murmelte Arved. Er
saß da wie ein Häufchen Elend.
    »Aha!«, meinte der andere triumphierend.
»Sie geben es also zu.«
    »Gar nichts gebe ich zu!«, erwiderte Arved und
schaute endlich auf.
    Lioba beobachtete ihn von der Seite. Was sie sah, erfreute
sie. In seinem Blick lag Entschlossenheit und Härte.
»Das Ganze ist eine lange und seltsame Geschichte. Ich habe
den Leichnam berührt, das stimmt. Daher stammt das Blut. Ich
wollte überprüfen, ob er tot ist. Aber ich bin nicht
sein Mörder.«
    »Dann erzählen Sie mal«, sagte der Schwere
und setzte sich vor Arved. Er schaltete den

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