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Das Schattenbuch

Das Schattenbuch

Titel: Das Schattenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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dass er der wahre
Verfasser des Buches ist?«
    »Ich glaube gar nichts mehr. Sie wissen, wo er
ist.« Drohend ging sie einen Schritt auf ihn zu.
    Sauer wich vor ihr bis zu den Regalen zurück. Sie
hätte ihn am liebsten geschüttelt und geschlagen.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Sauer leise.
»Aber ich kann Ihnen sagen, wo ich ihn beim letzten Mal
getroffen habe, als ich Ihr Buch erhielt. Warten Sie
bitte.« Er verließ das Zimmer durch eine Tür,
die verborgen hinter den Regalen steckte. Die Borde schwangen auf
wie die Kiefer eines senkrechten Mundes, schluckten den alten
Anwalt und schlossen sich wieder.
    »Er war es!«, zischte Lioba, die es immer noch
nicht glauben konnte.
    Arved stand auf und nahm sie in den Arm.
    »Ihm haben wir den ganzen Schlamassel zu
verdanken!«
    »Liebe ist mächtig – in jeder
Richtung«, meinte Arved.
    Lioba musste lächeln. Er strich ihr über die Haare.
Sie warteten eine Weile, Lioba lief vor den Büchern auf und
ab, während Arved steif dastand. Lioba fragte sich, was
Sauer dort drüben wohl machte.
    Hinter den Regalen peitschte ein Schuss. Lioba und Arved
fuhren zusammen.
    Die Regaltür öffnete sich wieder. Nicht Sauer,
sondern sein Diener Jonathan kam mit einem Stück Papier in
der Hand daraus hervor. Er reichte es Arved und sagte:
    »Er hat mir aufgetragen, es Ihnen zu geben. Er sah
keinen anderen Ausweg mehr. Abraham Sauer hat soeben Selbstmord
begangen.«

 
22. Kapitel
     
     
    Es war ein kleiner Zettel, auf den mit krakeliger Handschrift
eine kurze Adresse hingeworfen worden war:
    Oberburg, Manderscheid.
    Das war alles. Arved starrte auf das Papier, dann sah er Lioba
fragend an. Bevor diese etwas sagen konnte, befahl Jonathan mit
harter Stimme: »Gehen Sie. Sonst bekommen Sie wieder
Schwierigkeiten mit der Polizei.« Er stand wie eine Statue
da, Standbein und Spielbein, viel zu lässig für diese
schrecklichen Ereignisse, und seine Blicke waren wie steinerne
Knüppel, die Arved und Lioba aus dem Raum trieben.
    Sie liefen allein durch die verwirrenden Zimmer, von einem
Büchersaal in den nächsten, und manchmal hatte Arved
den Eindruck, es verfolge sie jemand. Einmal schaute er hinter
sich: Ein Schatten drückte sich hinter einen
Bücherschrank. Arved glaubte, Abraham Sauer erkannt zu
haben.
    Lioba lief voran, sie schien den Weg zu kennen. Sie schien
sich sowieso gut hier auszukennen. Eifersucht stieg in Arved
hoch. Führte Sauer sie in die Irre? Wollte er Lioba haben
– oder Arved?
    Sie hasteten von einem Raum in den nächsten – und
hörten bald Stimmen. Gleichzeitig blieben sie stehen. Arved
fühlte sich, als ob ihm der Magen auf die Knie rutschte. Er
kannte diese Stimmen. Ein Blick in Liobas Augen verriet ihm, dass
sie ebenfalls wusste, wer es war: die beiden grauen Polizisten.
Sie mussten sich in der Nähe der Leiche befinden.
    In diesem Raum gab es einen mannshohen, von Büchern
umschmiegten Spiegel in einem dünnen, schmucklosen
Goldrahmen. Arved sah ihn aus den Augenwinkeln. Und er sah die
Bewegung in ihm. Arved packte Liobas Arm und deutete mit dem Kopf
auf den Spiegel. Sie sah zuerst ihren Geliebten unwillig an und
dann in das Spiegelglas. Sie schüttelte den Kopf.
    »Siehst du ihn nicht?«, flüsterte Arved.
    »Wen?«
    »Sauer.«
    Lioba schaute noch einmal in die blendend helle Fläche.
Es war unmöglich, dass sie ihn nicht erkannte. Er stand da,
in seinem dunklen Anzug, und lächelte die beiden an.
»Nein«, sagte Arved, »ich gehe nicht in den
Spiegel.«
    Er spürte, wie sich Lioba unter seinem Griff versteifte.
Sie rückte von ihm ab. Er ließ sie los. Sauer
verschwand. Er löste sich auf, in viele kleine Punkte, die
wie schwarze Tropfen an einer Fensterscheibe herunterrannen. Wenn
es doch nur ein Ende hätte!
    Sie lauschten, bis sie keine Stimmen mehr hörten. Dann
schlichen sie fort, durch Bücherzimmer und Korridore,
über Treppen und Galerien, bis sie endlich in der
großen Halle angekommen waren. Vorsichtig zog Lioba das
Portal auf; kein Polizeiwagen stand in der Auffahrt. Ob man ihren
kleinen Renault nicht bemerkt hatte? Unmöglich. Aber
vielleicht wusste die Polizei nicht, dass er Lioba gehört,
dachte Arved. Sein Bentley stand noch auf dem
Asservatenparkplatz, doch man hatte ihm bereits den
Schlüssel ausgehändigt. Gut, dass er die alte Limousine
bisher nicht abgeholt hatte; das konnte er irgendwann
nachholen.
    Wenn das alles hier vorbei war.
    Lioba und Arved stiegen in den Twingo. »Was

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