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Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Titel: Das Schatzbuch der Köchin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martine Bailey
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dem das geheimnisvolle Bild der Sterne, der Winde und Strömungen in der rechten Konstellation zusammenlief.
    Zu diesem geheimen Ort nahm Loveday derweil die Briefe mit, die man ihm aushändigte. Ehe er sie der Poststation übergab, las er sie hier. Zuerst kam ein Brief von Jesmire. Sobald sie ihm den Rücken zugewandt hatte, war er damit in die Kühle seines schattigen Unterschlupfs verschwunden.
    Lieber Captain im Ruhestand William Dodsley
, las er verwirrt.
    Mit unschätzbarer Freude schreibe ich Euch als Antwort auf Eure Suche nach einer verlässlichen Haushälterin, wie Ihr sie der Wirtin der Albergo Duomo zu Pisa beschrieben habt. Ich darf mich Euch als eine bescheidene, protestantische Junggesellin aus Suffolk in England vorstellen. Zudem bin ich sehr gewissenhaft, und, wenn ich das überhaupt von mir behaupten darf, eine anständige Frau, die nach einem guten Platz im Leben sucht. Meine Talente liegen in der Näharbeit, im Knüpfen und auch ein wenig in der Wäsche. Außerdem vermag ich Haare zu frisieren (vornehmlich bei Damen, doch bin ich bereit, mich auch an Perücken zu versuchen) und andere Pflichten zu übernehmen, wie Ihr es gerade braucht. Ich kann Euch versichern, ich bin bereit, zum nächstmöglichen Termin eine Stellung anzutreten. Bitte richtet Eure Antwort schnellstens an
    Eure ergebene Dienerin
    Signorina Amelia Jesmire, Poststation von Ombrosa
    Loveday musste über diesen Brief laut lachen und fragte sich, ob der Kerl darauf wohl antworten würde. Wie viele Male hatte sie schon Briefe wie diesen geschrieben, um eine neue Stellung zu erlangen, seit sie England verlassen hatten? Sieben Mal? Acht Mal? Sie hatte nur ein einziges Mal Antwort erhalten, und darin hieß es auch nur, die von ihr angesprochene Dame sei schon vor langem verschieden.
    Sobald er von der Poststation zurück war, lag der ganze lange Tag vor ihm und musste ausgefüllt werden. Sein erster Gedanke war, ein mächtiges Totem zu errichten, wie es einst seine mächtigen Vorfahren getan hatten. Als er den Fußboden vom Unrat befreit hatte, waren ihm ein paar Jesusbücher und anderes in die Hände gefallen. Dann fand er noch wie durch ein Wunder einen hölzernen Stab, der im Laufe der Zeit nachgedunkelt war. An der Spitze befand sich ein kleines, metallenes Kreuz, grau und verkrustet. Er erkannte diese Kreuzform aus seiner Zeit mit Father Cornelius wieder. Das Kreuz war das liebste Zeichen der Katholiken. Aber als Loveday die Form nachfuhr, entdeckte er noch etwas anderes darin. Viele Stunden verbrachte er damit, dieses Stück Metall zu behauen, zu schleifen und zu formen, bis es ein halbmondförmiger Widerhaken geworden war. Als die Harpune fertig war, hob er sie hoch und spürte, wie das ausbalancierte Gewicht mit seinem Arm eins wurde. Er schleuderte die Harpune auf einen Baumstumpf, und sie schoss schneller aus seiner Hand, als er gucken konnte. Eine gute Harpune; die verborgene Kraft, die er hineingearbeitet hatte, war stark und wahrhaftig.
     
    Am darauffolgenden Tag rief Mr. Pars ihn zu sich, um einen Brief zu holen. In der Kammer des alten Mannes waren die Fensterläden geschlossen, und es stank nach schalem Tabakrauch und verschwitzten Betttüchern. Der verkniffene Blick aus gelblichen Augen, mit dem der Verwalter ihn maß, als er den Brief über den Tisch schob, beunruhigte Loveday. Er nahm den Umschlag und versuchte, nicht mit der Haut dieses schlechten Mannes in Berührung zu kommen.
    «Gab’s zuletzt Post für mich?», bellte Mr. Pars plötzlich.
    «Nein, Sir. Keine Post», sagte er und stolperte rückwärts aus dem Gemach. Er war froh, dem Verwalter entronnen zu sein und schaute bei seiner Herrin vorbei, ehe er sich wieder in den Steingarten begab, um dort in Ruhe den Brief zu lesen. Er folgte dem laubenartigen Weg und sang leise vor sich hin, als plötzlich Mr. Pars direkt vor ihm auftauchte. Er stand an der Mauer des Steingartens und lehnte sich auf seinen Stock.
    «Hier versteckst du dich also immer, ja?», blaffte er. «Was treibst du hier, wenn ich dir doch gesagt habe, du sollst auf schnellstem Weg zur Post?»
    Loveday senkte den Blick auf den Boden, damit er seinen geheimen Unterschlupf nicht zufällig verriet, weil er in die Richtung schaute. «Miss Biddy», sagte er langsam, weil er genau wusste, dass sie seine Lüge bestätigen würde. «Sagte mir, nach Früchten gucken.» Er zeigte auf eine Gruppe früher Zitronenbäume.
    «Dass ich das richtig verstehe: Ich sage dir, du sollst zur Post. Und du …» Mit

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