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Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Titel: Das Schatzbuch der Köchin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martine Bailey
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mir einen kühlen Blick zu. «Du hast Glück, weil er so ein unverbesserlicher Narr ist.»
    «Das habe ich wohl, Mylady.» Ich räusperte mich und begann, die einzelnen Teile des Kleids zusammenzufalten: den schönen Mantel, den weiten Rock, das helle Leibchen und die Halsbinde.
    Sie sackte auf einem Stuhl zusammen und begann, ihre Nägel abzuknabbern. «Ich vermute, eines Tages wird dieses Elend vorbeigehen?» Sie tätschelte ihren Bauch und warf mir einen fragenden Blick zu. «Wann in Gottes Namen ist das endlich vorbei?»
    «Ihr wisst den genauen Zeitpunkt nicht?»
    «Ich kann ihn nicht errechnen.» Als sie das sagte, wurden ihre Wangen flammend rot, und ich senkte den Blick. Eine Weile beschäftigte ich mich mit dem Kostüm, aber sie blieb stumm.
    «Ich würde sagen, nur noch ein paar Wochen, Mylady. Keinen ganzen Monat mehr. Soll ich einen Arzt rufen? Oder eine Hebamme?»
    «Gott, nein.» Sie schnippte ein Stück blutige Nagelhaut auf den Boden, den ich frisch gebohnert hatte. «Es ist doch ein ganz natürlicher Akt, oder? Das wollte ich noch wissen: Warst du schon mal dabei?»
    «Bei einer Geburt? Ja, bei meiner Mutter. Viele Male. Für sie war’s kein Problem. Sie blieb nicht mal einen Tag im Bett, und es war im Handumdrehen vorbei. Aber sie war keine Dame wie Ihr, Mylady. Versteht mich nicht falsch, aber ich könnte durchaus einen Doktor rufen und sagen, es sei für meine … also, für Biddy, sozusagen.»
    Vielleicht hätte ich das nicht sagen dürfen, denn damit erinnerte ich sie wieder daran, dass sie sich als ihre Köchin ausgeben musste. Sie strich sich die fettigen Haare aus der Stirn und erklärte mit der Stimme der alten, biestigen Carinna: «Ich hab’s doch schon gesagt, dafür besteht kein Anlass. Gott, wann ist das bloß endlich vorbei?»
     
    Was Jesmire betraf, so kniff sie die sauertöpfischen Lippen zusammen, als sie das neue Reitkleid sah.
    «Was um alles in der Welt willst du denn damit? Es versetzen?»
    Früher hätte ich es vermutlich versetzt, wenn sich mir die Gelegenheit geboten hätte. In jener Nacht aber, als alle schliefen, stand ich auf und zog es an. Mit großer Mühe schloss ich die Bänder und knöpfte es zu. Und ich muss schon sagen, das war ein mächtig feines Gewand, das sehr schön gearbeitet war und gut passte, nachdem ich erst mal drinsteckte. Während ich vor dem Spiegel hin und her ging, sah ich, wie gut es zu meinen grünen Augen passte, und auch, wie einwandfrei mir der Schnitt stand. Es spiegelte meinen Charakter wider, fand ich.
    Doch erst das folgende Geschenk des Conte ließ mich vollends entflammen. Die anderen scherten sich keinen Deut darum, denn man konnte es weder versetzen noch verhökern. Aber was mir der Conte am nächsten Tag schickte, sollte mein Leben für immer verändern.

XXVII
    W enn die anderen ihn gerade nicht brauchten, schlüpfte Loveday immer quer über den Hinterhof und kroch durch dorniges Gestrüpp an das schlammige Ufer eines Flusses. Etwas weiter flussaufwärts lag zwischen den Bäumen versteckt der Steingarten. Ein summender, lebendiger Ort. Als er das erste Mal dort hinkam, fand er einen grünen Grashüpfer, der mit stockartigen Beinchen und halmdünnen Fühlern auf einem Stein ein Sonnenbad nahm. Um ihn herum schwirrten Stechmücken und Moskitos in wilden Wirbeln. Winzige Plagegeister, die er wegblinzeln oder ausspucken musste. Das Gras reichte ihm bis an die Knie, aber er bemerkte, dass sich früher jemand um diesen Ort gekümmert hatte. Die Ansammlung der Steinplatten, von denen manche aufrecht standen und andere umgefallen waren, erinnerte ihn an die blutbefleckten heiligen Steine in seinem Heimatdorf. Wenn die Sonne darauf niederbrannte, glaubte er, in der abstrahlenden Hitze zu spüren, dass auch dies ein heiliger Ort war.
    Dann fand er beim ziellosen Umherstreifen eine Steinhütte. Von dem spitzen Dach waren nur noch das Balkenkreuz und ein paar verloren wirkende Dachpfannen übrig. Üppiges Grün hatte das Gebäude unter sich begraben, und Schlingpflanzen wucherten ins Innere des Gemäuers. In einer von Spinnweben überzogenen Ecke fand er eine steinerne, blinde Jungfrau Maria, deren rosige Wangen glühten, als wäre sie von einer Krankheit heimgesucht worden. Es dauerte ein paar Tage, um sich dort eine Zuflucht zu erschaffen. Er webte Zweige über die Löcher im Dach und fegte die Spinnen und den Mäusedreck aus. Endlich war sein Versteck sauber, und Loveday konnte sich hier in aller Ruhe auf den Tag seiner Flucht vorbereiten, an

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