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Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Titel: Das Schatzbuch der Köchin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martine Bailey
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aus Mehl schillert. Auf Zehenspitzen schob ich mich durch das Durcheinander und hielt ihr das Tablett mit dem Konfekt hin.
    «Melady.» Ich machte einen Knicks.
    «Ah, Biddy Leigh.» Heute war sie guter Laune, und ihre Augen funkelten. Die schlanken Finger mit den blutig gebissenen Nägeln lugten unter der Spitze hervor und nahmen ein Konfekt. Sie kaute nachdenklich darauf herum. Bei der Vorstellung, wie sie vielleicht eines der steinharten Bonbons gegessen hätte, wurde mein Mund ganz trocken.
    «Und das gestrige Abendessen war auch anständig. Ein ordentliches Pflaumenkompott. Das hat uns geschmeckt, nicht wahr, Bengo Baby?» Sie hob den abscheulichen Köter hoch und klatschte seine Vorderpfoten zusammen. Das Vieh starrte mich mit den hervorquellenden Augen eines Froschs an. Ich neigte den Kopf leicht und machte erneut einen Knicks.
    «Danke schön, Eure Ladyschaft», murmelte ich.
    «Ich sortiere gerade meine Kleider durch», verkündete sie, nachdem sie so lange in mein Gesicht gestarrt hatte, dass ich mich fragte, ob ich einen Streifen Ruß vom Ofen quer im Gesicht hatte. «Und es gefällt mir, zu den Leuten großzügig zu sein, die ich mag.» Ihr Blick schweifte über die Kleiderhaufen. «Ich glaube, du verdienst eine Belohnung, Biddy Leigh.»
    «Nicht ich, Ladyschaft», murmelte ich und sank in einen tiefen Knicks, während ich langsam rückwärts ging. «Ich hab nur meine Pflicht getan.» Ich hatte meinen Lohn riskiert und wünschte nur, diese merkwürdige Frau nie wiederzusehen. Sie drehte sich auf ihrem Stuhl zur Seite und zeigte auf ein Kleid. «Das rosafarbene da aus Seide. Was hältst du von dem?»
    Ich hatte nicht den Blick eines Mädchens aus der Stadt, um ein Kattunkleid von einem
à la française
zu unterscheiden, aber ich erkannte eine gute Arbeit, wenn sie vor mir lag. Das Kleid war wunderschön. Wie eine große, bauschige Blüte aus raschelnder Seide.
    «Es ist …» Ich verstummte und musste schwer schlucken. Das Taftmieder war dunkelrosa und mit winzigen Rüschen und Schleifen besetzt, an denen eine Näherin bestimmt wochenlang gesessen und sich die Finger blutig gestochen hatte.
    «Probier’s mal an.»
    «Das könnt ich nicht.» Ich wich zurück, als würde das Kleid nach mir schlagen. Das hier war wirklich die seltsamste Herrin, der ich je begegnet war.
    «Ich befehle es dir. Ich will dich in dem Kleid sehen.»
    «Melady», protestierte ich. «Ich kann nicht …»
    «Mach schon!» Sie runzelte finster die Stirn, und ihre Brauen zogen sich zusammen. Mit niedergeschlagenem Blick ging ich zu dem Kleid und nahm es vom Haken. Es fühlte sich seidenweich an und warm wie ein frisch aufgegangener Hefeteig. Die Röcke schleiften über den Boden, und im Stillen betete ich, dass ich das wertvolle Stück nicht kaputt machte.
    «Da rüber, Mädchen.» Sie bedeutete mir mit der Hand, dass ich in eine dunklere Ecke gehen sollte, wo ein Tisch stand, auf dem all die ausgesuchten Artikel verstreut lagen, die eine Dame für ihre Toilette brauchte.
    Als ich endlich mein altes, wollenes Leibchen abgestreift hatte, war mir vor Scham ganz heiß. Mein Unterhemd war braun und vom Schweiß und Küchenfett fleckig. Der Rock, den ich voller Stolz aus einem Stück mausgrauer Wolle geschneidert hatte, sah jetzt so kratzig aus wie eine Pferdedecke. Eine Parfümwolke stieg auf, als ich in den feinen, rosafarbenen Unterrock stieg, der wie aufgeschäumte Spitze um meine Beine wogte. Als ich mich in das enge Mieder zwängte, kniff es um die Schultern. Harte Arbeit verändert den Körper einer Frau, das weiß ich wohl. Einen Moment schaute ich zu meiner Herrin auf und beneidete sie um die schmalen Schultern und dürren Arme jener Menschen, die nicht mal ihre eigenen Suppenteller hochheben können.
    «Ah. Du siehst ganz verändert aus.» Sie lachte schon wieder; weit zurückgelehnt entfuhr ihr ein heiseres Kichern. Dann stand sie auf und stolzierte auf mich zu. Sie starrte mich so bezwingend an, dass ich errötete.
    «Sieh dich nur an», befahl meine Herrin, packte meinen Arm und führte mich zu einem großen gerahmten Glas. Nur Mut, schalt ich mich. Ist ja nur ein Kleid. Ich fühlte mich trotzdem wie eine Bettlerin, die sich in den Kleidern einer Königin als was Besseres ausgab. Als ich den Spiegel erreichte, erwartete ich das Bild einer wertlosen Puppe, und dass meine Herrin mich verspottete.
    Daher überraschte es mich mächtig, mein Spiegelbild zu sehen. Ich erblickte eine hübsche Frau, die mich aus dem Spiegel

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