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Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Titel: Das Schatzbuch der Köchin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martine Bailey
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und Käse. Einen Haarspalter, so nannten ihn manche, und heute sah er besonders angesäuert aus. Er ließ seinen grauhaarigen Kopf hängen, und die Wangen wirkten schlaff. Ein Stubenmädchen meinte, sie hätte gehört, wie die neue Herrin ihn hinter verschlossener Tür angebrüllt habe. Aber für mich klang das nach leerem Geschwätz. Trotzdem konnte jeder sehen, dass ihn irgendetwas quälte. Er kaute, als hätte er den Mund voll Sägespäne, und sein Blick schweifte in die Ferne, als sähe er dort etwas, das ihm keine Ruhe ließ.
    Jem hing derweil mit seinen Kumpanen herum und kippte humpenweise Ale in sich hinein. Als ich ihn so sah, kamen mir plötzlich Bedenken. Dieser Dummkopf hatte schon den ganzen Tag getrunken. Na ja, wenigstens kann er noch aufrecht stehen, dachte ich und seufzte innerlich. Ich musste Geduld mit ihm haben und das mit dem Ale vielleicht mal beiläufig erwähnen.
    Nachdem Sukey und ich die letzten Essensreste weggeräumt hatten, konnte ich immerhin noch das Stück sehen. Unser Kutscher George Stapleforth war König George und trug einen Überwurf mit einem roten Kreuz. Es war ein Vergnügen, ihm zuzusehen, wie er von einem hölzernen Schwert aufgespießt wurde. Der Quacksalber versuchte, den toten König George mit einem Heiltrank wieder zum Leben zu erwecken, als ich Mr. Loveday bemerkte. Er stand ganz allein direkt neben der Bühne. Keiner hatte sich an ihn gewandt. Den ganzen Tag über hatten die Jungs sich einen Spaß daraus gemacht, ihn zu foppen. «Hey, Teerpinsel» und «Kohlestück!» hatten sie ihn gerufen, während er seiner Arbeit nachging. Ich schwor mir, ihm seine Freundlichkeit irgendwie zu vergelten. Und wenn ich dafür von den anderen geschnitten wurde, war’s mir auch einerlei.
    Während ich ihn beobachtete, wanderte Mr. Lovedays trauriger Blick zu einer Stelle direkt hinter mir. Er straffte sich wie ein Wachposten. Mr. Pars sah ebenfalls auf und reagierte erstaunt. Ich drehte mich um und fand mich derjenigen gegenüber, die beider Interesse geweckt hatte. Direkt neben mir stand an der rückwärtigen Wand des Saals Lady Carinna. Ihr blaues Kleid schimmerte wie der Heiligenschein eines Engels.
    Für Mr. Pars war es ein Kampf, sich zu ihr durchs Getümmel zu schieben. Er war erhitzt, als er sie erreichte, weil er ein paar Faulpelze aus dem Weg hatte schubsen müssen.
    Sobald er sich jedoch vor ihr verbeugte, war er steif und korrekt wie immer. «Lady Carinna. Wenn Ihr nur nach mir geklingelt hättet …»
    «Geklingelt? Verdammt, Pars! Was soll ich machen, wenn keiner mein Klingeln hört?» Ihre Stimme trug weit, und in unserer Nähe drehten sich bereits die Ersten um und starrten sie an. Dann geriet auch das Stück ins Stocken, denn der alte George verpasste glatt seinen Einsatz. Kurz herrschte ein einziges Stimmengewirr, bis alle verstummten und Lady Carinna gespannt anblickten.
    «Mr. Pars», zischte sie so laut wie eine niedersausende Peitsche. «Ich muss sofort über unsere Abreise sprechen.» Dann drehte sie sich in einem raschen Wirbel aus blau schimmernder Seide um, und unser Verwalter trottete hinter ihr her.
    Nach einem Augenblick Stille brach um mich herum neugieriges Geschnatter aus.
    «Wo will sie denn jetzt wieder hin?», fragte die fette Wäscherin Nell, die neben mir stand. «Was meinst du, zurück nach London?»
    «Das hoffe ich», sagte ich verwirrt und abschätzig. «Ich finde nämlich, sie bringt nichts als Probleme mit sich.»

VII Mawton Lodge
Die Korrespondenz von Mr. Humphrey Pars
An Allerheiligen, den 1. November 1772
    Privatkorrespondenz
    Nordhaus von Mawton, den 1 . November 1772
    Mr. Ozias Pars
    Marsh Cottage
    Saltford
     
    Ozias,
    Bruder, mir bleibt keine Zeit für Höflichkeiten, denn die Neuigkeiten hier in Mawton sind so erstaunlich, ich muss sie dir sofort mitteilen. Vor nunmehr zwei Tagen traf Sir Geoffreys junge Braut hier ohne Ankündigung ein. Und das so kurz nachdem mich die Nachricht erreichte, Sir Geoffrey selbst habe sich auf sein irisches Landgut zurückgezogen. Und das wiederum nach nur zehn Tagen Tändelei mit seiner Braut in London. Ah, die Torheiten alter Männer!
    Was das Mädchen betrifft, so war es noch keinen Tag hier, bis ich wusste, dass es so verdorben und seicht wie eine Pfütze ist. Ihr fehlt es jedoch nicht an der Gerissenheit einer Fähe, wie du schon bald erfahren wirst. Letzte Nacht vertraute sie mir an, sie werde noch vor Monatsende nach Frankreich aufbrechen und von dort nach Italien weiterreisen, wo ihrem

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